Erfahrung der Woche: Diese Woche wurden wir gleich zweimal auf unerwartete Weise mit dem Tod konfrontiert. Das erste Mal wollten wir ihn höchstpersönlich besuchen, Friedhöfe in Lateinamerika hatten nämlich schon immer eine gewisse Anziehungskraft auf mich. Es sind hübsche, bunte Orte, mit pastellfarbenen Mausoleen und Grabsteinen die mit glitzernden und kitschigen Heiligenfigürchen geschmückt sind. Womit wir bei unserer Friedhofserkundung aber gar nicht gerechnet hatten, war Toten zu begegnen. Das waren doch wirklich zwei Totenköpfe die mich da ausdruckslos aus einem Loch anstarrten. Und als ich erschrocken zurückwich und zur Seite blickte, lagen auch in einem anderen Mausoleum ein paar Oberschenkelhalsknochen und ein weiterer Schädel auf einem Totentuch herum. Gut, dass sie nicht mehr lebendig waren, denn beim Anblick meines entsetzten Gesichtsausdrucks wären so sonst vor Lachen wahrscheinlich tot umgefallen. Ich werde ab jetzt bei jedem Friedhofsbesuch damit rechnen Tote zu sehen. Zumindest wenn diese sich in Lateinamerika befinden.
Die zweite Begegnung mit dem Unlebendigen machten wir auf der Isla Blanca, die eigentlich nur eine Halbisla ist. Uns hatte das Kiten an den nördlichsten Zipfel oberhalb Cancúns gelockt, weil es dort eine Lagune mit Unmengen Flachwasser geben sollte. Die gab es auch. Nur leider gab es sonst nichts. Alles hier war heruntergekommen und sah aus wie in einer Totenstadt. In der Unterkunft die wir über Airbnb gebucht hatten, weil es außer diesem Appartement und einer Kiteschule nichts anderes gab, fanden tote Käfer in Schränken und tote Motten in der Dusche ihre letzte Ruhestätte. Ein Glück, dass wir nicht in den Zimmern der Kiteschule wohnten, hier sah alles noch schlimmer aus. Doch damit nicht genug. Nachdem wir auf dem brühwarmen Tümpel unsere Bahnen gezogen hatten und zurück zu unserem Geisterhaus fahren wollten, hatte uns die „Flut“ den Rückweg abgeschnitten. Wie alle anderen waren wir mit unserem Mietauto bis zur Lagune vorgefahren. Wie alle ohne Geländewagen standen wir nun wie der Ochs vorm Berg. Da kamen ein paar tollkühne Franzosen daher und fuhren einfach durch das Wasserloch hindurch, dass sich während unserer Kitezeit gebildet hatte. Pas de problème. Es hätte nicht viel gefehlt und man hätte mich ebenfalls in ein zuckerfarbenes, Open-air Mausoleum betten können. Wir schafften es so gerade, beinahe hätten uns vorher die Moskitos aufgefressen, die wie auf Knopfdruck, mit gespitztem Rüssel blutrünstig auf uns losgingen. Wir verließen die Einöde schon nach einer Nacht. Und wandten uns dem lebensfrohen Treiben und Tulum zu. Aber dazu nächste Woche mehr.
Investition der Woche: Einen Tag und eine Nacht investierten wir in die Suche einer perfekten mexikanischen Hängematte. Ich liebe lokale Handarbeiten und da mich außerdem eine gute Freundin beauftragt hatte ihr ebenfalls eine mitzubringen, machten wir uns auf die Jagd nach einer handgemachten, bezahlbaren, klassischen Hamaca. Ich hatte recherchiert, dass Tixkokob und Eúan die Orte in Yucatan seien, wo die Matten hergestellt wurden. Die erste der beiden Städte empfing uns mit einer riesigen Hängematten Fabrik, in der man ab 15€ Nylon Matten kaufen konnten. Wir winkten dankend ab und fuhren weiter, denn in Eúan sollten es laut eines Artikels, den ich gefunden hatte, noch wenige Frauen geben, die diese Matten aus Sisal herstellten, einem natürlichen Garn das aus Kaktus gewonnen wird. Das Dorf war so klein, dass wir nur 1-2 Leute auf offener Straße fragen mussten, wo es diese denn zu kaufen gäbe – und schon standen wir im Wohnzimmer einer kugelrunden Frau. Und siehe da, sie hatte tatsächlich 2 Sisal Hängematten, die sehr schön, aber leider auch ganz schön kratzig waren. Wer auf diese natürliche Qualität wert legt, der fahre nach Eúan und frage nach Maria Ofelia de Villajuana die in der C12 No 51x9y11 wohnt. Wir entschieden uns für kuschelweiche Baumwolle. Die Hängematten die wir kauften, erstanden wir bei einem Mann, der uns auf der Straße von Tixkokob ansprach. Hier suchen wohl alle nach Hängematten? Nachdem wir also jede Menge Leute kennengelernt und alle möglichen Hintertürchen durchschritten hatten, war der Tag um und wir quartierten uns spontan in Izamal ein. Ein sauberes Städtchen, das ausschließlich aus gelben Häusern besteht. Und wie der Zufall es wollte, durften wir als die ersten Gäste einer, nun regelmäßig stattfindenden, Lichtershow werden, bei der (simple) Videosequenzen über die Geschichte der Stadt auf die Wände verschiedener Häuser geworfen wurde. Ein Besuch nur für diese Show würde sich nicht lohnen, aber als Überraschung war es doch gelungen. Etwas Spezielles kaufen zu wollen, es zu suchen und dann zu finden ist stets eine kleine Reise selbst. Was man da alles erlebt. Und das Beste, man kann oft hinter die Kulissen blicken, was einem beim Kauf einer Hängematte in einem Touri Shop in Mérida wohl nicht gelungen wäre.
Beobachtung der Woche: Während ich Valladolid toll fand, war ich von Mérida enttäuscht. Und das, obwohl zwei unabhängige Reisebekanntschaften gesagt hatten „Mérida ist wie Valladolid, nur größer“. Zum einen stimmt das nicht, wie kann eine ruhige, romantische Kolonialstadt eine Kopie in Groß haben? Ganz klar, dass es da mit der Ruhe und Romantik schnell vorbei ist. Zum anderen fehlte Valladolid der Charme. Rund um die berühmte große Kirche die sich alle unbedingt ansehen wollen, tummeln sich Billigläden die Elektroschrott und Pastikklamotten verkaufen (sie riechen zumindest so). Es mag auch an den über 40° gelegen haben, dass wir mit dieser Stadt nicht richtig warm wurden, so paradox das auch klingen mag. Ich funktioniere dann nicht mehr richtig. Das Interesse an Orterkunden verdampft, die Lust am Fotografieren verpufft. Zum Glück hatten wir ein hübsches kleines Hotel mit Pool, sodass man alle paar Minuten abtauchen konnte von der wuseligen Stadt da vor der Tür. Abends besichtigten wir dann Eisdielen, Restaurants und Bars – alle nur zu empfehlen – auch eine Art Sightseeing oder? Wer sich also entscheiden muss, ich empfehle Valladolid. Auch wenn dort ebenfalls die Sonne vom Himmel brennt.
Ort der Woche: El Cuyo. „El que?“, fragten uns sogar die Einheimischen denen wir erzählten wohin wir als nächstes wollten. El Cuyo. Ein klitzekleines Fischerdörfchen am Meer. Wunderbar einfach und einsam. Sehr zu empfehlen für Aussteiger, Familien mit kleinen Kindern und Kitesurfer. Denn außer einem menschenleeren, kilometerweiten weißen Strand gibt es hier nicht viel zu besuchen. Hier verlebten wir erst 4 perfekte Tage, um dann später für weitere 4 Tage wieder zu kommen. Wir hatten ein ganz simples Apartment direkt am Meer, kochten uns Barfuß unser Abendessen, mit Sand zwischen den Zehen und Salz in den Haare, schaukelten unsere Seelen in der Hängematte ins absolute Gleichgewicht und kiteten jeden Tag in unserem türkisblauen Vorgarten. Ein Leben, von dem man nur träumen kann. Ein Haus am Meer, es wäre wohl das einzig wirksame Mittel gegen mein ständiges Fernweh. Was man anderen gegen Asthma verordnet, müsste man mir gegen meine anhaltende Reisesucht verschreiben.
Hotels & Restaurants:
Mérida
In der Eisdiele Pola kann man sich mit außergewöhnlichen Köstlichkeiten abkühlen. Zum Beispiel mit Gorgonzola-Apfel Eis. Oder Avodaco. Oder auch klassischen Sorten.
Wer, so wie wir, keine Tacos mehr sehen kann, probiert den leckeren Italiener Oliva Kitchen.
Für einen herrlichen Abend mit leckeren Snacks, Craftbieren und Live-Musik sollte man unbedingt bei La Negrita Cantina vorbei schauen.
Direkt nebenan liegt das kleine Hotel Marionetas. Die Zimmer sind wunderschön und liegen um einen kleinen hübschen Pool der bei der Hitze Leben rettet.
Rund um die Calle 55 x 62 gibt es ein paar nette kleine Boutiquen, die allerdings alle recht teuer sind und meist modernisierte mexikanische Handarbeiten verkaufen.
El Cuyo:
Sehr zum Empfehlen ist das One Digit House vom lieben Mathias, zu finden bei Airbnb. Es ist sehr simpel, aber glaubt mir, das reicht auch.
Das einzige Restaurant das laut eines Einheimischen etwas taugt ist La Conchita. Als wir um 20 Uhr dort essen wollten, hatte es allerdings schon geschlossen.
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