Neuseeland// East Coast // Nordinsel

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Erfahrung der Woche: Der zweite Besuch in einem fernen Land ist eine ganz besondere Erfahrung. Da man als passionierter Reisender meist von fremden, ungesehenen Orten angezogen wird, passiert es selten, dass man allzu bald in ein, auch noch so geliebtes, Land zurückkehrt. Seit ich vor 7 Jahren das erste Mal in Neuseeland war, bezeichnete ich diesen Ort als mein Lieblingsland. Erst im Sommer war mit Island ein ernstzunehmender Konkurrent hinzugekommen. Durch einen Zufall war ich in diesem Herbst ohnehin wieder am anderen Ende der Welt und da eine meiner besten Freundinnen vor 2 Jahren nach Auckland gezogen war, stattete ich ihr und diesem wundervollen Land einen Besuch ab. Was ist so besonders an dem zweiten Besuch in einem fernen Land? Nun, wenn man es richtig angestellt hat, hat man beim ersten Besuch die meisten großen Sehenswürdigkeiten bereits besucht. Wir entschieden uns also unsere gemeinsame Zeit auf der untouristischen, wenig bewohnten Ostseite der Nordinsel zu verbringen. Und wir machten die Erfahrung, dass in Neuseeland einfach alles wunderschön ist. Auch, oder vor allem, die Orte, die im Reiseführer weniger angepriesen werden. Unser Roadtrip führte uns durch ein Neuseeland, das noch einsamer war als ich es schon kennengelernt hatte. Und es führte mir, wie bei meinem ersten Besuch, vor Augen, wie sehr ich die Natur liebe.

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Beobachtung der Woche: Ich bin ein Naturmensch. Keine Stadt hat mir je dieses Gefühl gegeben, was Mutter Natur in mir auszulösen vermag. Kein architektonisches Meisterwerk kann mir die Bewunderung entlocken, die ich für satte Wiesen, dramatische Berge, tiefe Wälder, bedrohliche Wolken oder den wilden Ozean hege. Während ich dieses Emotionschaos beim erste Mal noch hatte alleine bewältigen müssen, hatte ich nun einen Freudensgenossen (wieso gibt es das Gegenteil von Leidensgenosse eigentlich nicht?) an meiner Seite. Abwechselnd zeigten wir uns unsere Gänsehaut, gegenseitig geboten wir einander immer wieder Einhalt, um zumindest kurz anzuhalten und der Landschaft den gebührenden Respekt zu zollen. Es war ein Roadtrip wie er im Bilderbuch steht. Im Chor singend, fuhren wir per Stop and Go über einsame, kurvige Straßen durch filmreife Kulissen – und entdeckten ein Highlight nach dem anderen. Was gibt es besseres, als ein Picknick an einem einsamen Strand? Was schmeckt besser als die Freiheit, die Weite, der unendliche Horizont? Kein noch so schickes Restaurant kann dieses Ambiente bieten. Kein ach so berühmter Koch kann einem Essen den Beigeschmack von frischer Luft verleihen. Mein Appetit auf diese pure Natur ist unersättlich. Und in Neuseeland kann man diesen Hunger nach unberührter Welt noch stillen.

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Ort der Woche: Der östlichste Punkt der Welt. Und somit der Ort auf der Erde, an dem die Sonne weltweit als erstes aufgeht. Am East Cape von Neuseeland steht ein Leuchtturm, der den Anfang eines jeden Tages überwacht. Nach einer kurzen Nacht im geruhsamen Te Araroa machten wir uns gegen 4 Uhr auf den Weg zum Ort der Datumsgrenze. Eine holprige Schotterpiste führte uns 22 Kilometer an der Küste entlang. Die Fahrt geht vorbei an einer schläfrig dreinblickenden Kuh, die mit unseren Scheinwerfern flirtet. Schafe kreuzen den Weg, Pferde traben vorbei, wir fahren über eine Koppel zum Tageserwachen. Ein goldener Schweif am Horizont kündigt die Gebieterin der Erde an und legt einen rötlichen Schein über den Strand. Die Welt liegt uns in ihrer reinsten Form zu Füßen. Über 700 Stufen klettern wir auf Holztreppen durch Farne und Palmen dem Himmel entgegen. Ich pflücke eine kleine lilafarbene Blume, wir tragen schließlich eine gewisse Verantwortung, wir wollen die Sonne gütig stimmen. Es soll bitte ein guter Tag werden für unsere Welt. Mit einer Tasse dampfendem Tee prosten wir der Sonne zu, die sich majestätisch aus dem Ozean erhebt. Irgendwo hat sie gerade ihr Tageswerk beendet und dennoch ist ihr Antlitz gewohnt glanzvoll. Die ersten Strahlen tunken auch unsere Gesichter in ein leuchtendes Rosa. Nach und nach pinseln sie die kleine Insel an, die gemütlich zu unseren Füßen plätschert. Wir sind die letzten, die diesen magischen Ort verlassen. Wir haben alles getan was uns möglich ist, um diesem Tag einen guten Start zu verleihen. Wir hoffen, er war schön für euch.

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Investition der Woche: 200$ (122€) für eine Tour zur White Island, Neuseelands einziger aktiven Vulkaninsel. Der Ausflug zu dem schwimmenden Vulkan, der einen 90-minütige Bootsfahrt vor Whakatane im Meer badet, wurde uns von den Kiwi-Freunden meiner Freundin empfohlen. Mittlerweile ist dieser Ausflug kein Geheimtipp mehr und so wird die Zahl der jährlichen Besucher reglementiert. Die Angst vor der Bootstour überwog meiner Vorfreude. Wollte ich wirklich 180 Minuten über der Reling hängen und die Fische mit meinem eben erst eingenommen Frühstück füttern? Ich riskierte es. Und wir hatten Glück. Unser gestriges Sonnenanbeten war wohl erhört worden. Der Ozean präsentierte sich ungewohnt spiegelglatt und so glitten wir sanft bis zur köchelnden Insel. Auf kleinen Schlauchbooten legten wir den letzten Weg zurück. Das kleine Gummiboot hatte den Effekt eines Weltraumschiffs ­– wir befanden uns plötzlich auf einem anderen Planeten. Eine bizarre Landschaft aus grellem Gelb und Grau türmte sich unregelmäßig vor uns auf. Mit Gasmaske und Schutzhelm ausgestattet starteten wir unsere 90-minütige Wanderung über Asche und Geröll. Der Boden blubberte und brodelte, kleine Löcher spuckten uns übelriechende Schwefelwolken entgegen, die uns in die Augen bissen und sogar durch die Gasmasken in unsere Lungen krochen. Es war ein bizarrer Ort, der wohl auch eine wellige Anfahrt wert gewesen wäre. So günstig und schnell kommt man schließlich nicht so oft auf einen anderen Stern.

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Viech der Woche: Eine Herde Orca Wale. Oder heißt es Schwarm? Bei Fischen heißt es Schwarm. Aber Wale sind keine Fische. Nun, es waren jedenfalls circa fünf, sechs Orca Wale. Es sind diese wunderschönen, schwarz-weißen Tiere, die man auch Killerwal nennt. Mörderisch galant waren diese Wesen allemal. Aber ich fange mal vorne an. Bei dem Moment nämlich, als ich ein Schwert oder eine Finne oder Flosse erspähte. Erst vor kurzem hatte der Kapitän über sein Mikro durchgesagt, dass wir, dank des selten glatten Wassers, noch zu zwei kleinen Inseln fahren würden. Und, dass wir Bescheid geben sollten, falls wir irgendwo vielleicht irgendetwas entdeckten. Ich war mir nicht ganz sicher, ließ es mir aber trotzdem nicht nehmen dem Bootsmann wild zuzuwinken und nach rechts zu deuten. Nun standen alle an der Reling bereit. Hatte ich mir das schwarze Aufblitzen doch nur eingebildet? Nein! Da war ein Wal! Und zwar nicht weit von uns. Und noch einer! Wir konnten unser Glück kaum fassen. Uns stiegen vor lauter Faszination die Tränen in die Augen. Die Gruppe Highschool Kids hinter uns viel vor Aufregung fast von Bord und ein Junge macht aus Versehen Selfies anstatt die Tiere zu fotografieren. Gemächlich tauchten die Orcas unter dem Boot hindurch und schwammen eine Weile neben uns her. Im Hintergrund dampfte die weiße Insel und ich drückte just in dem Moment auf den Auslöser meiner Kamera, als einer der Meeresriesen galant sein Schwert aus dem Wasser gleiten ließ. Da war es, das perfekte Neuseeland Bild. Ich werde es nie vergessen. Ebenso wenig wie den Roadtrip durch dieses traumhafte Land. Und wieder kann ich bei meinem Abschied nur hoffen, dass die Menschen es schaffen, einen Ort wie diesen zu bewahren. Es gibt nicht mehr viele davon. Und ich möchte noch so oft wiederkehren.

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Und hier die Tour zum Hinterherfahren: 

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Auckland // Taupo// Weinprobe in Napier, Hawkes Bay und Walk auf den Te Mata Peak // Sonnenbaden am Wainui Beach, Gisborne // Te Araroa und der Sonnenaufgang am East Cape // Bummeln in Ohope // Fahrt von Whakatane nach White Island Vulkan Insel // Auckland

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4 replies »

  1. …das sind wirklich `live changing moments´ – die gibt es nicht so häufig – sehr schön beschrieben! Freudensgenosse… sehr treffend! Und doch können uns solch kostbare Erlebnisse mitunter auch direkt vor der eigenen Tür überraschen! Ich war ebenso lange Zeit unterwegs (Südamerika – auch hier ließen mich viele unglaubliche Bilder geliefert von Mother Nature/Pacha Mama regelmäßig in die Knie gehen vor Rührung und Begeisterung, Neuseeland – kann dich vollkommen verstehen :). Und doch weiß ich jetzt auch wieder das hiesige viele Grün und die (ja, gibt es tatsächlich auch im vollgestopften Europa) Wildnis schätzens- und schützenswert. Einfach loswandern, Zelt und Rucksack schultern, unter schattigen Bäumen, auf Felsenspitzen mit Wow-Aussicht rasten, an öffentlichen Grillstellen ein leckeres Mahl bereiten – das geht sogar bei uns! 🙂 Meine Neuseeland-Sehnsucht begleitet mich dennoch sicher lebenslang und wer weiß, vielleicht heißt es bald wieder…Kia ora Aotearoa! 🙂

    • Danke für Deine Worte Du Freudensgenosse. Du scheinst meine Liebe zur Natur gut zu verstehen. Und mir geht es genauso wie Dir: die Wertschätzung zum eigenen Land ist bei mir durch die Fernreisen auch immer größer geworden. Ein toller Nebeneffekt wenn neben dem Fernweh auch das Heimweh spürbar wird.

      Lass es Dir gut gehen, egal wo Du bist!

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