Erfahrung der Woche: Schon die Suche der Unterkunft ist in Marokko immer wieder ein Erlebnis. Und oftmals resultieren daraus weitere Erlebnisse, die nichts mit dem Zimmer zu tun haben. Hier ein Beispiel aus Rabat, wo uns mit der Ankunft sofort die Hauptstadt Hektik packte. Dementsprechend chaotisch war auch die Hostelsuche: Das erste Hostel war nur ok, weshalb wir ein zweites aufsuchten. Dieses war aber voll. Als wir wieder beim Ersten ankamen war dieses auch voll. Unsere Nasen auch. Dann ging es weiter von Bruchbuden, zu Zimmern ohne Bad und Fenster. Letztendlich entschieden wir uns für eins, obwohl es zwei Einzelbetten hatte. Die Nacht war ohnehin kurz, weil ich zum Sonnenaufgang die menschenleeren, blau-weißen Gassen der touristisch gepflegten Kasbah durchstreifen wollte, der alten Zitadelle der Stadt. Sie wirkte wie ein kleines Vorzeigestädtchen in der großen Stadt, von ihren Mauern geschützt von aller Hektik. Wir ließen alles weitere in Rabat ungesehen und machen uns auf den Weg in das Bergforf Moulay Idris, wo wir Abwechslung von den sich wiederholenden Märkten und Medinas der Städte suchten. Allein die Fahrt über Méknes lohnte sich – es schien, als seien all die fleißigen Näher des Landes auch hier an der Arbeit gewesen, um die gelben Felder liebevoll und akkurat aneinanderzureihen wie eine Patchwork-Decke. Dann erreichten wir unser Bergdorf, das mit seinem Rücken an den Berghang geschmiegt, seine vorwiegend weißen Gesichter der Sonne entgegen streckte.
Hier begann die zweite beispielhafte Zimmersuche: Ein fremder Mann fing uns am Ortseingang ab, um uns erst zu einem Parkplatz, dann zu einer Pensionen aus unserem Reiseführer zu bringen. Während er ununterbrochen sprach, brachte er uns zu einer alten Dame, die überhaupt nicht mit uns sprach – sie konnte nur Arabisch. Unter freudigem Händeklatschen, kleinen Verbeugungen hier und da, und einem ständigen Lächeln und Kopfnicken zeigte sie uns ein gemütliches Zimmer mit erhabener Aussicht. Mit erhobenem Daumen lächelten wir zurück und nickten nun ebenfalls mit dem Kopf, um ihr unseren Einzug zu erklären. Gerade erst waren die Koffer die steilen Gassen hoch geschleppt, da erwartete sie uns auch schon mit frischem Minztee und Gebäck, was auf der Dachterrasse über der Stadt besonders gut schmeckte. Das kleine Pilgerdorf war schnell erkundet, da Touristen die Moschee leider nicht betreten dürfen und es sonst nicht mehr zu tun gab, als sich in den steilen Gässchen zu verlieren oder in einem Straßencafé zu sitzen und das gemächliche Treiben der Dorfbewohner zu beobachten. Dem Tipp der Quasselstrippe folgend, die uns das Hotelzimmer empfohlen hatte, aßen wir abends dann Couscous und Tajine im Haus einer marokkanischen Familie. Zum Nachtisch gab es, unten am Dorfplatz, Kaffee mit buntem Treiben und Trauben vom Nachbartisch – die vier Herren neben uns hatten wohl bemerkt wie fasziniert wir die Verkaufstrategien der Traubenhändler gegenüber beobachtet hatten. Vielleicht fanden sie es auch amüsant, wie zwei Touristen sich an so etwas erfreuen können, vielleicht wollten sie uns aber auch helfen Teil des allabendlichen Treibens zu werden. Obwohl das gelang, suchten wir bald die „Ruhe“ unseres Hotelzimmers, dass über all dem Trubel auf dem Berghang schwebte. Nach einem Dachterrassen-Frühstück bei unserer Pantomime-Oma machten wir uns auf den Weg zum Abflugort unserer Reise, Fés.
Und ein drittes Beispiel zur Findung eines Schlafplatzes folgte: Während unserer Hotelsuche in Fés prasselte nicht nur Regen auf uns nieder, sondern auch die aufdringlichen Hotelempfehlungen der herumlungernden Straßenführer. Wir vertrauten lieber unserem gedruckten Reisführer. Da dieser uns aber in eine Bruchbude führte, flüchteten wir vor dem Heer an Hotelvermittlern in den Hauseingang des Riads „Hala“, das eigentlich viel zu teuer aussah. Aber die zwei letzten Wochen zeigten Wirkung und Tom verhandelte so geschickt und hart (der Inhaber sagte wie ein Berber), dass wir am Ende nicht nur das schönste Zimmer bekamen sondern auch noch einen Spottpreis. Der Besitzer nahm es seinen einzigen Gästen nicht übel und organisierte uns einen Freund der uns für kleines Geld in die größte Keramikfabrik der Stadt brachte. Hier wurde Handarbeit noch wörtlicher genommen als bisher beobachtet, denn die Mädchen die Teller, Tassen, Schalen und sonstiges mit zarten Ornamenten versahen, benutzten nicht einmal Schablonen. Auch die Mosaikbastler puzzelten all die winzigen Steinchen, die ein anderer vorher mit Hämmerchen und Meißel zurecht geklopft hatte, ohne jede Hilfe von vereinfachendem Werkzeug zusammen. Die komplizierte Arbeitsweise war beeindruckend, hatte aber auch ihren Preis. Dann versuchte, das erste Mal auf dieser Reise, jemand Tom davon zu überzeugen mich einzutauschen – immerhin nicht gegen ein Kamel, sondern gegen einen der aufwendigen Mosaikbrunnen. Ich entschied mich lieber selbst. Gegen ein Leben in der Villa des mosaiksteinreichen Geschäftsführers und fuhr mit Tom zurück in die quirlige Medina und kaufte mir lieber dort ein paar Keramiktassen für weniger Geld.
Ort der Woche: Die Abenteuerlust zog uns weiter nach Azemmour, das laut Lonley Planet sehr idyllisch sein sollte. Es gefiel uns mit seinen bunten Gassen und netten Menschen, die uns alle grüßen wie alte Bekannte, so gut, dass wir hier bleiben wollten. Aber das in einer Gasse entdeckte Riad öffnete nicht und die Empfehlung aus dem Reiseführer hatte geschlossen. Zum Glück. Denn jetzt führte uns der Inhaber (er war dennoch anwesend) zum „L’oum Errebia“, das uns schon von der Türschwelle in seinen Bann zog. Je höher wir die Treppen stiegen, desto höher schlugen unsere Herzen. Vorbei an einem Springbrunnen und Flügel, einem Kaminzimmer, einer Terrasse mit Pool ging es dann hinauf auf die begrünte Dachterrasse. Hier stellten wir fest, dass sich hinter den hübschen Gassen des Dorfes auch noch ein Fluss versteckt hatte. Allein das Badezimmer rechtfertigte, dass wird das erste Mal auf dieser Reise 60 Euro für eine Nacht bezahlten. Das großzügige Frühstück mit Flussblick sowieso. Dafür war das Abendessen günstig, denn wir aßen auf dem Straßenmarkt, auf dem wir angesehen wurden, als wären wir selbst irgendeine exotische Ware. Das „Kefta“, das ist Hackfleisch in Tomatensoße und Fladenbrot, kostet 25 Cent. Die gebackenen Kichererbsen in der Papiertüte nur 20 Cent. Als wir zufrieden und vorfreudig zurück ins Hotel kamen, lud uns der alte französische Hausherr auch noch auf einen Drink ein. Dabei waren wir doch längst beschwipst von seinem gemütlichen Heim.
Beobachtung der Woche: Andere Länder, andere Sitten. Hier die Beobachtungen der Andersartigkeit Marokkos. Und von den Vor- und Nachteilen eines Reiseführers:
Die Vorfreude machte uns scheinbar rasend, denn mitten in der Wüste, auf dem Weg nach Essaouira wurden wir von einem Polizisten an den Straßenrand gewunken. 14 km/h zu schnell. Macht 30 Euro. Ob man hier wohl auch handeln kann? Wir hatten Glück und er beließ es bei einer Verwarnung. Pech, hatten wir in Sachen Wind. Denn in der „Stadt des Windes“, wie das hübsche Städtchen übersetzt heißt, wehte nämlich keiner. Kiten konnten wir hier also nicht, dafür aber am Strand liegen und die Medina – also die Altstadt hinter der Stadtmauer – entdecken. Als die Sonne hinter dieser verschwunden war lernten wir Rida kennen, der halb Marokkaner halb Spanier war und perfekt Deutsch sprach. Er zeigte uns zuerst wo man frischen Fisch kaufen kann und ihn dann bei einem Straßengrill für sich zubereiten lässt, während man es sich selbst schon mal auf der menschenleeren Dachterrasse gemütlich macht – „Take In“ statt „Take Away“ also. Am nächsten Abend stand die Bierkneipe der Einheimischen auf dem Programm. Bier findet man in Marokko selten, Frauen fanden wir in der Kneipe keine. Wieder zwei außergewöhnliche Erlebnisse die wir keinem Reiseführer, sondern nur einer Reisebekanntschaft verdankten. Dem Reiseführer verdankten wir allerdings die beste heiße Schokolade, die wir abends vor dem Schlafen gehen tranken. Und das Mandelcroissant, das wir morgens bei der Patisserie kauften. Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Hafenmauer fuhren wir nun weiter die malerische Küste hoch. Kurz hinter einer unwirklich großen Phosphat Fabrik, die hier am Meer liegt wie ein gestrandetes Ufo, ließen wir uns vom Lonely Planet zu einer Bucht nahe der Straße leiten die „Lalla Fatna“ heißt. „Oha Fatna“ wäre für diesen Ort ein treffenderer Name, denn er war mehr als nur lala. In den prächtigen Wellen tummelten sich nur Einheimische und Surfer. Und davon nicht mal viele. Erfrischt fuhren wir die wenigen Kilometer bis Oualida, und genossen hier zwei Tage mit Strand, Lagune und Meer.
Viech der Woche: Viele tote Viecher. Primär Ziegen, vielleicht ein paar Schafe und Rinder. Man ahnt es, wir sind schließlich in Marokko, es geht um Leder. In Fés waren wir einem der herumlungernden Straßenführer mindestens hundert Jahre zurück in die Vergangenheit gefolgt, mitten in eine Ledergerberei. Auch hier, von fortschrittlicher Arbeitsweise keine Spur. An den alten Mauern hingen Lederfetzen wie schlafende Fledermäuse, in den verschiedenen Lehmbecken im Boden stapften barfüssige Marokkaner in verschiedenfarbiger Brühe und in einer Ecke siebte eine alte Frau Taubenkot, der zum Ätzen des Leders verwendet wird. Über Hautfetzen hinweg ging es auf das Dach, dann weiter an Tierschädel und Geweihreste vorbei zu einem Aussichtspunkt. Hier lag das Gassenwirrwarr ausgeschüttet vor uns und zeigte uns die wahre Größe dieser Handels- und Königsstadt. Auf dem Rückweg in die Froschperspektive passierten wir noch ein überdimensionales Weinfass in dem ein Mann Lederstücke wusch, dann bezahlten wir den Besitzer der Gerberei und traten zurück in die Gegenwart. Jetzt sahen wir die Ware in den unzähligen Lädchen mit anderen Augen und wunderten uns über die günstigen Preise, die für die aufwendige Handarbeit verlangt werden.
Investition der Woche: Nach unserem letzten Frühstück stillten wir auch unseren letzten Souvenir-Appetit und kauften einem Händler seinen halben Laden an Ledertaschen leer. Nachdem wir schon 4 Stück gekauft hatten, bemerkten wir, dass Freitag der marokkanische Sonntag ist und plötzlich alle Läden geschlossen hatten. Also kauften wir kurz entschlossen auch noch die fünfte Tasche bei dem Mann, für den wir mittlerweile „Brother“ und „Sister“ waren. Kurzerhand stellte er noch einen Riemen her und machte so auch die letzte Tasche perfekt für uns.
Rest der Woche: Die letzten beiden Tage verbrachten wir damit, kiloweise Keramik und Leder zu kaufen. Wir beendeten den letzten abenteuerlichen Tag mit Kamelburger und Milchshakes im Café Clock und fielen dann voller Gerüche, Geschmäcker und Eindrücke in unser Himmelbett unter dem Mosaikfirmament. Nachdem all die Andenken in den Koffern verstaut waren, dachten wir das erste Mal traurig, dass uns am Morgen nicht der Muezzin wecken würde. Denn vorher wird der Wecker unseren Traum von 1001 Nacht beenden, damit uns die Zeitmaschine zurück nach Düsseldorf fliegen kann.
Namen & Adressen:
Das wunderschöne Riad L’oum Errebia in Azemmour lädt zum Erholen ein. Wunderschöne Dachterasse, herrlicher Pool und hübsche Zimmer mit beeindruckenden Bädern. 60€ pro Nacht im Doppelzimmer.
Fés:
Schlafen im herrlich romantischen Riad Hala.
Ein Besuch in der Keramikmanufaktur Art Naji.
Essen (zum Beispiel einen Kamel-Burger) im Café Clock oder Kurs an der Kochschule mitmachen.
Categories: Marokko
Die Berichte sind wie ein Traum aus 1001 Nacht🌠
Ja, eine Reise nach Marokko ist ein Besuch in einer fremden Welt. Ich kann nur jedem empfehlen dort selbst einige Abenteuer zu erleben!