Masaya // León // La Garnacha

P1070897Erfahrung der Woche: Eine traditionelle Osterprozession in León. Die Osterfeiertage beginnen in Nicaragua schon am Freitag vor unserem Karfreitag und dauern beinahe 2 Wochen. Fast die ganze erste Woche lang versuchten wir eine dieser Prozessionen zu finden, die schon seit dem 18 Jahrhundert durch die Straßen der Städte ziehen, um ihr geheiligtes Osterfest zu feiern. In Granada war sie so enttäuschend kurz gewesen, dass ich nicht einmal ein Foto schoss. In León sahen wir allerdings noch viel mehr als nur die eigentliche Prozession: Seit 1700-Irgendwas streuen die Menschen hier mit bunt eingefärbten Sägespänen riesige religiöse Bilder auf die Straße. In liebevollster Kleinarbeit entstehen so, in vielen Stunden Arbeit, kunstvolle Teppiche über die dann kurz darauf die Prozession zieht und alles wieder kaputt macht. Prozess und Prozession waren eine wirkliche Erfahrung, weil man das Gefühl hatte an der Tradition des Landes teilzunehmen. Alle Menschen waren auf der Straße, darunter kaum Touristen, es wurde gekocht, gegessen, gequatscht und eben gestreut was das Zeug hielt und die Abendsonne tauchte das ganze Geschehen in ein beinahe himmlisches Licht. Da waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, um eines der traditionellsten Feste Lateinamerikas mitzuerleben. Hier bedeutet Ostern weitaus mehr als nur ein langes Wochenende, bunte Eier und ein Osterhase (den es vielleicht noch nicht einmal gibt).

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Ort der Woche: Die Finka “El Carrizo” im Norden Nicaraguas. Nach der ehemaligen Hauptstadt León, ging es in den kühleren Norden des Landes, um den dort hergestellten Kaffee, Käse und Tabak zu probieren. Wir hatten von Orten gelesen an denen man Käse herstellen, über Kaffee lernen und auf einer Farm bei einer Familie leben kann. Und genau das wollten wir machen. Und genau das machten wir dann auch. Es ist leider schwer geworden Orte zu finden, die abseits der Touristenströme liegen. Alles ist irgendwie schon kommerzialisiert worden und hat schon viel von seinem urtümlichen Charme verloren. Es kostete uns auch viel Fragerei, zwei Tage und eine Nacht der Anreise und einen Haufen Mühe und Geduld, aber am Ende fanden wir diesen Ort in La Garnacha, einer kleinen Gemeinde inmitten vom Nirgendwo. Für 2 Nächte schliefen wir also in der Lehmhütte einer Nica Familie, lernten wie man Käse macht, aßen was sie essen (alles ungespritzt und selbst angebaut) und tranken den (etwas enttäuschenden) Kaffee der Region. Es sind diese Orte, die es nicht mehr lange geben wird. In der Nähe wird schon ein Hotel gebaut, die Käsefabrik macht fleißig Werbung dass mehr Leute kommen und auch im Lonely Planet steht es schon. Es ist einer der Gründe, wieso ich heute reisen möchte und nicht in 10 Jahren. Die Welt verändert ihr Gesicht schneller als uns lieb ist und Familien wie diese hier, die verstanden haben dass sie dieses Gut bewahren müssen, sind selten. Sie kämpfen mit ihrem “Öko-Tourismus” bereits gegen kommerzielle Spanier die die Käsefabrik unterstützen. Tradition und Umweltbewusstsein kämpfen gegen Geldgier und Modernität. Ich fürchte es ist klar wer diesen Kampf auf Dauer gewinnen wird. Bleibt zu hoffen, dass es eine lange Dauer ist und einem die Zeit bleibt, noch viele Orte wie diese zu finden. Schwierig ist es ja jetzt schon.

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Beobachtung der Woche: Nix Nica nehmen. Denn die nehmens nicht so genau, vor allem nicht mit dem Wahrheitsgehalt ihrer Informationen. Sieht man sich die Nasen der Nicas im Vergleich zum Wahrheitsgehalt der von ihnen erfragten Informationen an, sind alleine schon die Nasen wieder eine neue Lüge. Die müssten einfach riesig sein, größer noch als die von Gerald Depardieu. Es stimmt einfach gar nichts was sie einem sagen. Fragt man drei verschiedene Leute bekommt man drei verschiedene Antworten. Die Zeit, die wir durch die dadurch verpassten Busse hatten, nutzen wir zu folgender Analyse: der Nica ist sehr hilfsbereit und extrem stolz. Bevor sie zugeben müssen, dass sie einem nicht helfen können, geben sie einem einfach irgendeine Information. Und zwar mit so einer Bestimmtheit, dass es keinem Lügendetektor auffallen würde. Man muss eben 3-4 verschiedene Leute fragen, damit man am Ende eine Schnittmenge hat, die halbwegs stimmen könnte. Dafür, dass Lügen eigentlich kurze Beine haben, sind die Leute hier verhältnismäßig groß. Aber vielleicht haben gutgemeinte Lügen ja längere Beine.

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Viech der Woche: Kein Hahn im Korb (denn gerade reise ich mit 3 weiteren Mädels), dafür hatte ich aber mal wieder eine Fahrt mit Hahn im Bus, der unter meinem Vordersitz hervor krähte. Außerdem jede Menge weitere Hähne, die einem auf der Farm die Nachtruhe stahlen. Wer denkt so ein Hahn krähe nur wenn die Sonne aufgeht (das hat man mir zumindest als Kind aufgetischt), irrt gewaltig. Das Federvieh schreit sich durchaus auch in der Nacht die Seele aus dem flauschigen Leib. Neben dem penetranten Kikiriki gab es zum Einschlafen das Grunzen der Schweine, das Wiehren der Pferde und das Bellen der Hunde. Außerdem wurde ich selbst ein bisschen zum Viech auf meiner Reise, zumindest habe ich mittlerweile einen Kuhmagen. Mittlerweile kann ich sogar das Straßenessen ohne Probleme essen. Eine echte Bereicherung, nicht nur weil es das Billigste ist, sondern auch das Heimischste und Leckerste.

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Investition der Woche: 14$ für einen Kurs in dem wir lernten unsere eigene Schokolade herzustellen (meine Kreation: Zartbitter mit Chili und Cashew). 5 Dollar für das All you can eat Buffet in dem dazugehörigen Schokoladenmuseum. 3 Dollar für den schnellsten und billigsten Haarschnitt meines Lebens (die Notwendigkeit war größer als die Angst vor dem allgegenwärtigen Rasierer in den Friseursalons). Oder doch die 2 Dollar für den Weizenglas-großen, frischen Organgen-Ananas-Ingwer-Minze Saft (für hiesige Verhältnisse völlig überteuert) den wir uns in Masaya nach einem Shoppingmarathon durch die Märkte mit landestypischer Ware verdient hatten. 24 Dollar (das sind ungefähr 15€) die ich mir diese Woche mal für Dinge gegönnt habe, die ich mir auch irgendwie hätte sparen können. Aber man gönnt sich ja sonst nichts (an den 24 herrlichen Stunden an jedem Tag der Reisewoche).

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Rest der Woche: Es war die letzte von 3 herrlichen Wochen in Nicaragua, einem Land dem ich mehr Zeit schenkte als geplant, weil es auch mir mehr schenkte, als gedacht. Von San Juan del Sur ging es nach Granada, wo ich 2 Hostelbekanntschaften wieder einholte um mit ihnen die Stadt zu erkunden und zu genießen. Von dort aus ging es gemeinsam weiter nach Masaya, wo wir einen kleinen aktiven Vulkan bestiegen und den größten “Handicraft Market” des Landes besuchten. In León trafen wir dann die Vierte im Bunde und beschlossen auch Honduras und Guatemala zusammen zu bereisen. Für eine Weibertruppe recht ungewöhnlich, sind wir immer einer Meinung was Reiseziele und Tagesprogramm angeht und 4 ist auch eine perfekte Zahl für Taxen und Hostels. Von nun an werde ich wohl nicht mehr alleine reisen und in Guatemala sogar zu meinem lang erträumten Roadtrip kommen, da wir uns dort ein Auto mieten wollen. Kurz vor Schluss mache ich dann nochmals eine neue Erfahrung: die längste Zeit in einer Reisegruppe. Jetzt, wo ich meine Eindrücke regelmäßig teilen kann, werde ich des Reisens wohl erst recht nicht müde.

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