La Isla Ometepe

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Erfahrung der Woche: Alles was ich bei mir hatte waren Strandtuch, Sonnencreme und Strick­jacke, außerdem 20$, eine kleine Flasche Wasser und meinen iPod. Die Kreditkarte, der Laptop (der durch die Reisefotos auf seiner Festplatte mittlerweile einen unermesslichen Wert gewonnen hat), der Reisepass, eben alles bis auf die oben genannten Gegenstände, befand sich in den Händen von zwei Venezuelanern, die ich kaum kannte –eigentlich gar nicht kannte, wie mir in dem Moment bewusst wurde. Ich hatte einen der beiden am Tag zuvor im Bus von Panamá City nach San José (Costa Rica) kennengelernt. Schon an der Grenze hatte Andrés mir angeboten doch mit ihm und seinen Freunden in ihr Strandhaus in der Nähe zu fah­ren. Nachdem ich erst dankend abgelehnt hatte, weil ich mich freute nun mal ein bisschen alleine zu reisen, hatte ich am Busterminal in San José dann spontan doch noch zugesagt. Die Stadt hatte sich als extrem teuer und mindestens so hässlich herausgestellt. Ich wollte dort ja eigentlich nur die Nacht bis zum nächsten Bus nach Nicaragua überbrücken, also sagten die Jungs ich könne genauso gut mit ihnen kommen, die Kohle sparen und von Playa Hermosa weiter fahren. Gesagt, getan. Ein Kum­pel von Andrés holte uns vom Bus ab und wir gingen erst etwas essen und dann ein Bier trinken. Kurz darauf ging es dann gen Westen an den Strand, wo sich das Haus befand. Ich bekam die größte im Haus vorhan­dene Matratze und schlief, meinem erneuten Glück wieder einmal dan­kend, auf der Veranda ein. Natürlich blieb ich doch einen Tag länger als geplant und natürlich fuhr ich mit den beiden Jungs zum Surfen an den Strand. Beziehungsweise sie surften in den circa 3 Meter Wellen, in die ich beim besten Willen keinen Fuß gesetzt hätte. Ich joggte lieber bar­fuss den meilenweiten, einsamen schwarzen Sandstrand entlang. Als ich zurück kam, waren die beiden Jungs weg. So auch ihr Autoschlüssel den ich in meiner Strandtasche für sie deponiert hatte. Sollte mein Glück mich etwa verlassen haben? War ich letzten Endes doch zu naiv und gut­gläubig gewesen? Ich kannte weder ihre Nachnamen, noch würde ich alleine zum Haus zurückfinden. Ich könnte sie höchstens bei der Polizei beschreiben, die ich, wie ich mir vornahm, gegen 17 Uhr (es war 11) anru­fen würde, wenn die Beiden bis dahin nicht kommen würden. Ich über­legte, dass ich meinen iPod verkaufen könnte, um damit zurück nach Panamá City zu fahren und eine dortige Reisebekanntschaft um Hilfe zu bitten. Oder ich könnte eine Art Reportage draus machen: “Ausgeraubt! Vom Traveller zum Tramp”. Bevor die ernsthafte Verzweiflung kam, kamen die Jungs mit besorgten Gesichtern zurück. Sie hatten sich Sor­gen gemacht, weil ich 2 Stunden Joggen gewesen war, hätten aber drin­gend einen Anruf tätigen müssen. Ob wir jetzt was Essen gehen wollten? Grinsend stimmte ich zu und ließ mich, gezwungener Maßen, mal wie­der von den beiden zum Essen einladen. Ich versuche stets positiv statt paranoid zu sein, aber ich habe von Geschichten gehört, die so gingen wie die meine zuerst geklungen haben mag, nur dass die der anderen eben ohne Happy End aufhörte. Gestern erst wurden einem Mädchen in dem Hostel in dem ich war ihre gesamten Wertsachen geklaut. Sie waren, wie meine auch, in einem Gitterkäfig eingeschlossen gewesen. Ich weiß nicht warum ich ständig das Glück habe, dass mir so etwas nicht passiert. Ich habe obendrein das Glück, immer Menschen zu tref­fen, die mir extrem wohl gesonnen sind, mir helfen, mich einladen, mich glücklich machen. José sagte mir zum Abschied ich solle mein positives Karma behalten, dann würde ich die Welt erobern. Es kann ja nur an positivem Karma liegen, denn irgendwie erobere ich mir die Sympathien all dieser herzlichen Menschen, die alles für mich tun, alles mit mir tei­len, ohne etwas dafür zurückhaben zu wollen als meine Zufriedenheit. Ich glaube allerdings auch, dass ich abreisen und nach Hause fahren würde, wenn ich einmal so richtig in diesem Vertrauen betrogen werden würde. Ohne diese positive Einstellung zu den Menschen könnte ich nicht reisen – weil eben gerade diese Erfahrungen, die ich immer mache, der Grund sind, warum ich das Reisen so liebe. Aber zum Glück bleibt mir das Glück weiter treu und ich bleibe weiter glücklich.

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Ort der Woche: Alta Gracia auf der Isla Ometepe, Nicaragua. Diese Insel klingt nicht nur wie ein Ort aus “Jim Knopf”, sie sieht mit ihren zwei Vulkanen sogar ein bisschen so aus, wie ich mir Lummerland vorstelle. Es gibt solche Inseln wirklich. Ometepe liegt im größten See Mittelamerikas, der ebenfalls den verwunschenen Namen Cocibolca trägt. Nach 2 Nächten auf der Insel saß ich morgens im Bus zu Fähre, um meine Reise in Richtung nördlicheres Nicaragua fortzusetzen. Wie immer saß ich am Fenster und der warme Fahrtwind blies mir so erfrischend ins Gesicht, dass ich nur blinzelnd aus dem Fenster sehen konnte. Das Gelb der Strohdächer verschmolz mit dem der Bananenplantagen zu einem goldenen Streifen. Vielleicht war es die fröhliche Musik meines iPods, vielleicht die Hitze die bereits um 10 Uhr über dem alten amerikanischen Schulbus lag wie eine Wärmedecke über dem Schoß eines alten Mannes in seinem Schaukelstuhl. Vielleicht waren es die Menschen die mich alle freundlich angrinsten als sie mein lächelndes, aus dem Fenster gestrecktes Gesicht sahen (oder die Hoffnung einem dummen Touri etwas völlig Überteuertes verkaufen zu können). Irgendetwas veranlasste mich jedenfalls dazu den Bus plötzlich, eine Stunde früher als geplant, zu verlassen und an diesem Ort, den ich nicht einmal beim Namen kannte, länger zu bleiben. An der ersten Straßenecke fragte ich ob es eine Unterkunft am See gebe. Gab es, 2 Kilometer entfernt. Erfreut marschierte ich los, drehte mich noch mal kurz um, um den Namen des Orte zu erfragen in dem ich gerade angekommen war und musste noch breiter grinsen, als ich das tuschelnde “loco” (verrückt) der älteren Damen aufschnappte. Alsbald wurde ich von einem gleichaltrigen Nica (so nennt man die Einheimischen) begleitet, der mir gerne einen frischen Fisch fangen, mich auf einen Vulkan oder mit mir an den Strand gehen wollte. Ich beließ es bei der Begleitung zu meinem Ort der Woche. Das Hostel Tagüiz war genau was ich gesucht hatte: ein ruhiger, einsamer Ort direkt am Wasser mit Palmen und Hängematte vor der Tür. Hier wollte ich den ganzen Tag lesen, schreiben, in der Hängematte liegen und sonst einfach nichts tun. Nachdem ich 2 Stunden am Strand gelegen hatte, flüchtete ich vor den kleinen Fliegen die wie eine kleine Wolke um meinen gesamten Körper schwebten. Im Schaukelstuhl vor meinem Zimmer hielt ich es nicht länger aus als 2 Minuten, weil der einzige andere Hostelgast, ausgerechnet mein Zimmernachbar, so unbeirrt auf mich einredete als habe er 2 Wochen keinen Menschen gesehen. Genau das war auch der Fall, wie sich bald herausstellte. Ich flüchtete also weiter, weder Fliegenschwarm noch Wortschwall konnten meine sonnige Laune bewölken, in das kleine Dörfchen um Fotos von dem zu schießen, was meinen spontanen Reiseumschwung verursacht hatte. Nach einer Stunde in der sengenden Sonne, hatte ich genug schlafende Schweine und leere Schaukelstühle fotografiert und marschierte die staubige Straße mit den gigantischen Mangobäumen zurück (natürlich nicht ohne einige der reifen, süßen Früchte einzusammeln) zum Hostel. Jetzt belagerten scheinbar sämtliche Nicas des Ortes mit ihrem Anhang den kleinen, vorher so einsamen Strand. Vorbei mit der Ruhe, jetzt war der Song “Wo no speak americano” angesagt, in Open Air Festival Lautstärke. Richtig, bloß keine Gringos mehr, bloß kein Amerikanisch sprechen. Macht ja nix mit der Musik, ich wollte Lokals, also kriegte ich eben welche. Diese waren mir auch alle Male lieber, als der österreichische Nachbar der mich schon wieder in ein Gespräch verwickeln wollte. Das meine Dusche nicht funktionierte, der Ventilator das Geräusch eines landenden Helikopters machte und mir eventuell in der Nacht den Kopf abhacken würde, all das konnte mein Wohlbefinden nicht schmälern (noch war der Kopf ja dran). Dieser Ort hatte etwas so beruhigendes, dass man sich über gar nichts aufregen konnte. Beinahe schade, dass es kein Internet gab, sonst hätte ich von dort aus mal meine Steuererklärung können ohne dabei den Kopf zu verlieren (den verliere ich lieber an einen Ventilator als ans Finanzamt). Aber vielleicht platzt mir gleich doch noch der Kragen, wenn der Ösi nicht endlich aufhört mich voll zu quatschen, obwohl ich doch offensichtlich ziemlich beschäftigt bin mit meinen Laptop.

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Beobachtung der Woche: Die meisten Ökos sind Hippies. Oder sonst irgendwelche extrem alternativen, langhaarigen, gammligen Kreaturen. Ich hatte mir auf Ometepe eine Unterkunft ausgesucht die mit ihrer Umweltfreundlichkeit warb und ihr eigenes Bio-Essen herstellte, Müll trennte und statt Wasser Reisschalen zum Abspülen der Toilette nutze. Die Idee fand ich gut, so etwas muss unterstützt werden. Und ich bin schließlich ein Freund der Natur und des unbehandelten Essens. Aber warum nur sind die Leute an solchen Orten immer gleich so extrem? Kann nicht auch der normale Mensch umweltfreundlich leben? Muss man lange zottelige Haare haben, bunte weite Leinenhosen tragen und ein bisschen schmutzig sein, um Müll trennen zu können, um Antipathien gegen chemische Düngemittel zu hegen und Umweltverschmutzung nicht nur zu hassen, sondern auch zu bekämpfen? Ich weiß zumindest, was man nicht sein darf: bequem. Es ist eben leichter alles in eine Tonne zu stecken, es ist eben schön, länger zu duschen als eigentlich notwendig, es ist eben anstrengend, mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zum Supermarkt zu fahren. In hübsch frisierte Köpfe scheint das schwerer hinzugehen. Schade, denn sie wären doch ein schönes Vorbild für andere. Ich habe immer noch keine Dreads, immer noch keine dieser fürchterlichen, bunten Hosen die es in Bolivien und Perú an jeder Straßenecke gibt, ich rauche auch nicht zum Frühstück einen Joint. Trotzdem habe ich verstanden, dass ich meinen eigenen Teil beitragen kann zu einem ökofreundlichen Leben. Vielleicht schaffen die gebildeten Leser dieser Zeilen (denn gebildet müssen sie wohl sein, wenn sie meine wirren Wortkonstrukte nachvollziehen können) es ja auch. Ich verspreche: Öko geht auch in Jeans und ohne Drogen.

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Viech der Woche: Kroko oder Kröte. Beide waren von bisher ungesehener Größe und dadurch recht beeindruckend. Die Krokodile sah ich bei meinem kurzen Aufenthalt in Costa Rica. José hatte mich gefragt ob ich wie sehen wollte und recht gleichgültig stimmte ich zu. Krokodile sind für mich mittlerweile nichts Neues. Diese Krokodile waren allerdings so groß und dick, dass selbst ich als nun schon erfahrende Krokodil-Entdeckerin ernsthaft beeindruckt war. Ohne auch nur würgen, kauen, oder beißen zu müssen, hätten diese Wesen locker einfach Jedermann so herunterschlucken können. Allerlei auch. Zum Beispiel ein Zweimann-Kanu oder ein Billy Regal. Die Kröte die ich nachts auf dem Weg zu meiner Hängematte auf Ometepe zu sehen bekam, hätte mich sicherlich auch irgendwie fressen können. Sie hätte vielleicht ein, zwei Mal schlucken müssen, ganz sicher ganz ordentlich aufstoßen müssen (siehe Investition der Woche) und wäre danach nicht einmal satt gewesen. Ich habe jedenfalls noch nie eine Kröte in der Größe einer Kegelkugel gesehen und ich habe vorsichtshalber einen ziemlich weiten Bogen um sie gemacht. Hätte ich sie geküsst, wäre sicher kein Prinz aus ihr geworden. Eher Bill Gates (oder wer war gleich der reichste Mann der Welt?). Aber für kein Geld der Welt, hätte ich dieses Ding auch nur mit der Fingerspitze berührt.

Investition der Woche: 30 Cordoba für ein Brot. Das sind circa 95 Cent. Der Wahrheit halber muss aber gesagt werden, dass ich insgesamt 60 Cordoba für zwei Brote investiert habe. Was ich an Deutschland am meisten vermisse ist gutes Brot (dann meine Familie, dann Schokolade, dann meine Freunde). In dem Ökohostel haben sie Brot selber gebacken, nur mit Ökozutaten, Körnern, Sauerteig, alles was ich liebe und dann auch noch im Steinofen zubereitet. Das warme, ofenfrische Laib war so lecker, dass ich es kurzerhand aufaß. Wer kann von sich behaupten jemals ein ganzes Brot auf einmal gegessen zu haben? Ich möchte die Antwort lieber nicht wissen. Ich habe mich ja auch ein bisschen komisch gefühlt danach (nicht im Bauch, eher so im Kopf) und gedacht, dass es wirklich Zeit wird, dass ich nach Hause fahre bevor ich noch irgendwelchen größeren Dummheiten anstelle. Beschämt und voller Vorfreude habe ich am nächsten Tag noch eins gekauft und bin schnell abgereist. Kann mir ja egal sein, was die von mir denken.

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Rest der Woche: Der Plan war gewesen Panamá und Costa Rica schnell zu durchreisen und zügig in das billigere Nicaragua zu gelangen. Nachdem ich in Panamá eine Woche geblieben war, schaffte ich es in Costa Rica auch noch zwei Nächte zu bleiben. Was sich bei der Namensgebung des Landes einst auf die “reichen Küsten” des Landes bezogen hatte, passt heute außerdem auf die Einwohner des Landes. Wie sonst können sie Essen und Unterkunft in diesem, sicherlich sehr schönen Land, bezahlen. Es herrscht der Dollar und es ist teuer. Endlich überquerte ich also doch noch die Grenze zu dem Land, das für mich den exotischsten Namen meiner gesamten Reise hat: Nicaragua. Was eher afrikanisch klingt ist eigentlich das größte Land Zentralamerikas und mittlerweile, wie man sagt, das sicherste. Ich habe keine Vorstellung von dem Land, keinerlei Vorkenntnisse. Ich bin gespannt was mich hier erwartet. Nicaragua hat mich wohlwollend, fast ein bisschen angeberisch empfangen, mit dem Blick auf zwei Vulkane, einen riesigen See und einem Regenbogen, der das Bild noch abzurunden versuchte. Nach einer Nacht in Rivas, setzte ich am nächsten Morgen früh in einem kleinen Fischerboot auf die Insel über (und ersparte mir wenigstens die Pein sogar auf einem See über der Reling zu hängen – obwohl das Seewasser unerwartet übellaunig war) und fuhr mit dem Bus 2 Stunden lang über die Insel zu dem Ökohostel. Ich kletterte ein wenig auf dem kleineren der beiden Vulkane herum und ließ mich schließlich verführen, von dem Charme eines kleinen Dorfes. Wieder einmal durch Glück und gutes Timing fand ich im Büchertausch des Hostels das wohl inspirierendste Buch meiner Reise “The Art of Travel” von Alain de Botton. Das perfekte Buch für den perfekten Ort, für den perfekten Moment. Nun sitze ich hier und habe einen Strand für mich alleine, genauso wie einen Österreicher (der mittlerweile zum Glück dazu übergeht Selbstgespräche zu führen). Es war nicht einfach tatsächlich mal die Einsamkeit zu finden. Und jetzt wo ich sie endlich gefunden habe, genieße ich sie in vollen Zügen. Bevor es weiter in den Norden geht, in quirlige Surferörtchen und hübsche Kolonialstädtchen.

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Categories: Nicaragua

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