Erfahrung der Woche: Seekrankheit. Ja, ich war sozusagen seetodkrank und das, obwohl ich vorher noch nie ein Problem mit Wellen und Meer hatte. Bis jetzt konnte ich meinen sehr dafür anfälligen Vater immer nur bemitleiden, wenn der sonst so robuste Herr bei Booten plötzlich ganz labil und kreidebleich wurde. Entweder ich werde also alt, meinem Vater in den Jahren immer ähnlicher oder es lag einfach an dem wirklich extrem rauen karibischen Meer, das ich in den letzten 4,5 Tage besegelte. Es gibt 3 Wege um von Süd-, nach Zentralamerika zu gelangen, also von Kolumbien nach Panamá. Man kann unzählige Busse nehmen, größtenteils über Land reisen und dann eine kurze Fähre nehmen, was aber recht kompliziert und aufwendig ist. Man kann den längeren Seeweg nehmen, von Cartagena nach Portobello, dabei noch 2-3 Tage die San Blas Inseln genießen. Oder man fliegt. Ich habe lange überlegt welchen Weg ich nehmen soll, nie wegen eventueller Seekrankheit, sondern wegen des Geldes. Nachdem ich mich für den längsten und auch schönsten entschieden hatte, hatte ich 4,5 Tage lang Zeit darüber nachzudenken ob ich es bereuen sollte. Ich habe in meiner Meinung hin und her geschwankt, wie das hübsche Segelboot selbst. Des nachts konnte ich zeitweise gar nicht mehr nachvollziehen, was zum Teufel ich mir nur dabei gedacht hatte in einem 9 Mann-Boot 5 Tage durch die Gegend zu schippern. Beim Anblick der San Blas Inseln, bei Sonnenschein und ausgeworfenem Anker, erinnerte ich mich daran aber plötzlich wieder so glasklar wie das Karibische Meer selbst, das nun versöhnlich ruhig um meinen Schnorchel plätscherte. Seekrankheit ist ein bisschen wie Liebeskummer. Denn das etwas, was man so sehr liebt, einen so fertig machen kann, kennt man sonst nur aus Beziehungskrisen. Ich habe trotzdem nicht Schluss gemacht mit dem Meer, ich liebe es immer noch. Wir brauchen nur eine kurze Pause, danach läuft’s schon wieder mit uns.
Ort der Woche: Las Islas de San Blas, Panamá. Wer wissen will wie sie aussehen, der stelle sich einfach eines dieser Fotos vor die man in Reisekatalogen sieht – weißer Sand, einige Palmen an denen grüne, reife Kokosnüsse einen herrlichen Kontrast zu dem stahlblauen Himmel und dem türkisen Wasser bilden. Oder der gucke sich die Fotos des Blogs an. Eine Palme beugt sich in einem perfekten Bogen gen Wasser und in das hundertste Foto das man gerade schießt, weil man seinen Augen nicht trauen und dieses Paradies verzweifelt festhalten will. Klick, klick, klick. Alle Einstellungen die man versucht, auf dem kleinen Display der Kamera erscheint wieder nur ein Bruchteil dessen was da vor einem liegt. Die beliebte Frage, was man denn so mitnehmen würde auf eine einsame Insel, kam mir in den Sinn als ich eines Morgens eine der Inseln für mich alleine hatte. Was ich hatte, war eine Plastikunterwasserkamera (die besser hält was sie verspricht, denn sonst muss ich den Drogeriemarkt in dem ich sie für 2 Euro erstand leider verklagen, da mir sonst wertvolle Erinnerungen entrissen werden würden. Quasi Körperverletzung also), einen Schnorchel und, nun ja, nichts und. Man darf sich ja immer drei Sachen wünschen bei solcherlei Fragen und es ist wohl klar was ich mir gewünscht hätte, auf dieser einsamen Insel. Gute Gesellschaft. Und zwar nicht nur, weil ich meine Freunde und Familie so vermisse, sondern weil genau diese diesen Ort verdient hätten.
Beobachtung der Woche: Man tut eigentlich nie mal nichts. Ist jemandem schon mal aufgefallen, dass man eigentlich immer irgendwas macht? Auch wenn man sich entspannt, liest man dazu meist ein Buch oder hört Musik, aber man liegt eigentlich nie mal nur so rum. Ich war, bedingt durch meine vorherig beschrieben Krankheit, aber nun mal dazu gezwungen flach auf dem Rücken da zu liegen und den wolkenlosen Himmel anzustarren (ich konnte mir immerhin noch so gerade verkneifen wie ein Käfer hilflos mit Armen Beinen zu strampeln). Es sei nicht nur allen leidenden Landratten empfohlen sich so auf offener See zu verhalten, sondern auch allen anderen die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Nichts tun ist gar nicht so übel. Die Zeit fliegt schneller vorbei als man denkt, ebenso wie die Gedanken plötzlich zu fliegen beginnen. Sind sie sonst gefangen in einem Netz aus Pflichten, Sorgen, Stress und Hektik, ist es beim Nichtstun als entließe man sie nun für einen Flug in den Urlaub. Neben der Beobachtung der Woche, auch eine gute Erfahrung.
Viech der Woche: Delfine. Oder fliegende Fische. Beide begleiteten die Ave Maria, meine dahinschaukelnde Heimat der letzten 5 Tage, streckenweise auf ihrem Weg nach Panamá. Die Delfine schienen in dem Segelboot einen willkommenen Spielgefährten gefunden zu haben, während bei den fliegenden Fischen nie klar war ob sie nun mit den Wellen spielten oder die Wellen mit ihnen. Beide sorgten jedenfalls dafür, dass das ohnehin schon vorhandene Freiheitsgefühl noch verstärkt wurde. Und dass man ab und an vom Nichtstun abgelenkt wurde. Und vom Nichtsehen, denn Wasser und Himmel waren irgendwann zu einer einzigen blauen Masse verschmolzen.
Investition der Woche: Es waren nicht die Tabletten gegen Seekrankheit, in die ich vor Abreise tatsächlich noch investiert hatte, denn sie halfen mir nicht. Das mag daran liegen, dass ich nicht an ihre Wirkung glaube, beziehungsweise mir nicht erklären kann wie kleine rosa Pillen gegen die Kräfte des Meeres wirken sollen. Nein, die Investition der Woche waren natürlich die 450 Dollar und 5 Tage die ich in diesen unvergesslichen Segeltrip investierte. Ich habe gelitten und genossen. Aber man muss neben Geld und Zeit manchmal eben auch noch etwas mehr investieren. Es war jeden Cent, jede Sekunde und jeden Schweißtropen wert.
Rest der Woche: Ernsthaft traurig verließ ich nach fast einem Monat in Kolumbien mein neues Lieblingsland Südamerikas. Mir wurde es noch einmal besonders schwer gemacht, da Cartagena auch noch als die schönste Stadt Südamerikas befunden wurde. Nach einem kurzen Aufenthalt suchte ich mir dort einen australischen Kapitän, der mich und 7 weitere Passagiere nach Panamá brachte. Das war’s also mit dem Süden der Amerikas. Mal sehen, was das Herz Amerikas so zu bieten hat.