Mendoza // Anden

Erfahrung der Woche: Ich habe die teuerste Flasche Wein meines Lebens getrunken. Aber bevor ich mich in detailverliebten Lobgesängen über Geschmack, Duft und Farbe verliere (er war so leuchtend und dunkel rot, wie das Blut sein muss das durch die Adern der heiligsten Götter fließt ­– wenn diese Adern haben sollten … huch Entschuldigung!), will ich schnell noch die Geschichte dazu erzählen. Momentan und immer noch, befinde ich mich in Mendoza, dem besten Weingebiet Argentiniens, das direkt am Fuße der Anden liegt. Absolut existentiell und naheliegend, in jedem Sinne, ist da natürlich eine Weintour durch die zahlreichen Bodegas. Mit Ben, einem alten Bekannten aus Buenos Aires, mietete ich mir also ein Fahrrad, um in Maipú, einem Vorort von Mendoza, diverse Bodegas und Weine dieser unbeschreiblich schönen Gegend zu erkunden. Da wir beide keine großen Freunden von organisierten Touren sind, wählten wir die billigere Do-it-yourself-Variante, bewaffneten uns mit einem Rad, einer Karte und einem großen Stück Käse und besuchten am Ende des Tages nur 2 von circa 10 Bodegas und probierten auch nur 6 von unendlich vielen Weinen. Aber und jeder besonnene Weinkenner (zu dem ich mich durchaus bald zählen kann, wenn ich weiterhin soviel Wein trinke) weiß, dass Quantität schließlich über Qualität geht. Die Gegend Maipús war leider nicht so schön, denn unser nicht vorhandener Fahrradweg führte uns entlang einer staubigen Hauptstraße, vorbei an heruntergekommenen Häusern. Circa 4 Kilometer später entdeckten wir die kleine Bodega der Familia di Tommaso, wobei es an ein Wunder grenzt, dass wir sie überhaupt noch sehen konnten mit all dem Staub in den Augen. Nach einer kurzen Führung durch den mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Weinkeller kam es dann zum noch interessanteren Part, der Weinprobe. Wir probierten 3 verschiedene Malbecs (von dem 71,5% in Argentinien reifen und gedeihen), in der Reihenfolge ihrer Jahrgänge und Zeit im Holzfass. Der erste war lecker (25 Pesos = 5 €), der zweite leckerer (45 Pesos = 9€) und der Dritte ein Gaumenfeuerwerk (55 Pesos = 11€). Ich hatte mir wohl wissend einen Schluck des ersten, leckeren Weines aufgehoben, um den direkten Vergleich ziehen zu können. Ich kann nun endlich behaupten, dass ich den Unterschied eines alten, teuren Weines zu einem jungen, billigeren Weines schmecken kann (wobei jung und billig hier so unpassend ist, als würde ich damit die Queen von England meinen). Nun erzählte uns die Führerin (in der femininen Form werde ich dieses Wort wohl mal benutzen dürfen), dass 2004 ein besonders guter Jahrgang für die Bodega gewesen sei, mit der perfekten Temperatur für die Trauben und einer besonders reichen Ernte. Sie deutete auf eine verstaubte Flasche, die schon die ganze Zeit den blankpolierten anderen 3 Flaschen ihren Glanz geraubt hatte. Nur 4467 Flaschen waren 2004 abgefüllt worden, ein ganz besonderer Tropfen also, den wir natürlich bei der Weinprobe nicht probieren durften. Ben und ich guckten uns nur kurz an und schon war uns klar, was der andere dachte. 106 Pesos durften unserer Neugierde auf den Geschmack eines solchen Weins einfach nicht im Wege stehen. Wir investierten beide 10 € und durften Flasche Nummer 3132 unser Eigen nennen. Ich muss zu unserer Schande gestehen, dass wir den guten Tropfen aus klitzekleinen Plastikbechern tranken, aus denen man in Deutschland allerhöchstens und etwas angewidert einen Ouzo beim Griechen an der Ecke trinken würde. Aber wir waren ja trotz des edlen Tropfens im Gepäck immer noch Backpacker die es sich nicht auch noch leisten konnten, diesen im bodegaeigenen Restaurant zu genießen. Mit diesem Schatz und dem Käse setzten wir uns in die Weinberge und genossen Schluck für Schluck, als wäre es reines Gold, das da durch unsere Kehlen floss. Worüber man redet wenn man einen solchen Wein trinkt? Man philosophiert natürlich angemessener Weise über das Leben und stellt fest, dass man glücklich ist. Noch mehr als sonst habe ich, quasi Schluck für Schluck, in mich aufgesogen wie froh ich bin hier zu sein. Und ich habe auf meine Eltern angestoßen, die mir all dies mit einem Bausparvertrag ermöglichen. Es ist doch viel besser damit Luftschlösser zu realisieren, als sich davon ein Haus aus Beton zu kaufen. Wir haben mit jedem Plastikbecher darauf angestoßen. Also circa 20 Mal. Jetzt, wo ich die Geschichte erzählt habe, könnte ich mich also in einer Lobeshymne über Geschmack, Duft und Farbe verlieren, aber ich will euch die Qual der wundervollen Details aus Rücksicht lieber ersparen. Außerdem würde die Länge dieses Abschnittes auch dem stärksten Weinfass den Boden ausschlagen.

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Ort der Woche: Die Bodega “Caelum”. In den Weinbergen unterhalb der Anden, bei Sonnenuntergang. Klingt kitschig und romantisch? Moment, es geht noch weiter: Ich hatte zuerst einen Becher Mate, dann ein Glas Rotwein in der Hand, aß frische Pistazien aus dem eigenen Anbau und lauschte dem Song Blackbird der Beatles, dass von meinem neuen Couchsurffreund Roberto und seinem Kumpel Hernán gespielt wurde. DAS ist romantisch. Mal wieder fast zu schön um wahr so sein, aber eben doch wahr. Eine Frechheit, dass so ein Sonntagabend für die Leute hier aussieht! Ich saß da und habe auf die Berge gestarrt, als liefe dort der spannendste Tatort aller Zeiten. Das beneidenswerte ist, dass die beiden auch nicht müde wurden zu sagen wie schön es doch sei. Sie haben sich an diese Schönheit offensichtlich noch nicht satt gesehen. So wie die Deutschen auch des allsonntäglichen Tatortes nicht müde werden. Ich will auch hier wohnen und Wein verkaufen. Wenn ich in diesem Eintrag allerdings noch ein einziges weiteres Mal das Wort Wein erwähne, komme ich noch ins Guinessbuch der Rekorde, für den Text mit der häufigsten Dichte des Wortes Wein. Dann werde ich berühmt und mit mir meine Bodega. Dann lade ich euch ein, euren Sonntag Abend dort mit mir zu verbringen und Wein zu trinken. Dann werdet ihr selbst sehen wie fein der Wein und Mendoza ist. Und nein, ich trinke während des Schreibens gerade keinen Wein. Das musste gesagt werden. Und das nicht nur, weil mir jetzt der Eintrag im Guiness Buch wohl sicher sein dürfte…

Beobachtung der Woche: Reisepläne machen keinen Sinn. Nachdem ich die eine Woche in Buenos Aires für eine Ausnahme hielt, werde ich auch in Mendoza eine ganze Woche meiner Reiszeit verbringen. Ich bin jetzt seit Sonntagmorgen hier und hatte grob 3 Tage geplant. Da ich aber über das Couchsurfen in der Familie von Roberto gelandet bin die, neben ihm, aus zwei rührend netten Eltern und einer netten Schwester besteht, kann ich diesen Ort nicht so schnell wieder verlassen. Es liegt nicht am Pool oder dem eigenen Zimmer mit dem großen Bad, nicht einmal an der schönen Umgebung der Anden. Es ist die Familie die ich nicht verlassen will. Ich bin in die Familie integriert als gehöre ich schon immer dazu. Ich werde mütterlich bekocht und väterlich beratschlagt, es wird sowohl brüderlich, als auch schwesterlich geteilt. Ich bekam eine private Weinführung von Roberto in der Bodega in der er arbeitet und treffe seine Freunde, ich war mit seiner Mutter beim Yoga und Einkaufen, morgen gehe ich zu einem Poloturnier und Sonntag vielleicht zu einer weiteren Bodega. Sie sagen, ich könne bleiben solange ich will. Wie soll ich so einen Ort wieder verlassen, um alleine weiter zu reisen? Auf einmal erscheint das Alleine-Reisen gar nicht mehr so verlockend und die familiäre Umgebung so gewohnt. Ich könnte noch 3 Monate hier bleiben, aber das ist ja nicht der Sinn meiner Reise. Oder ist er es doch? Ein bisschen scheinbar, sonst wäre ich nicht schon doppelt so lange hier wie geplant. Es ist schön, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber genau so schwer. Der Abschied wird mir nicht leicht fallen und der Kontrast zu den armen Verhältnissen in Bolivien die mich erwarten wird mir jetzt wohl noch größer erscheinen. Der Plan ist Montag weiter nach Santiago de Chile zu reisen. Vielleicht kaufe ich aber auch Dienstag ein paar Hektar Weinberge. Es bleibt also spannend.

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Viech der Woche: Das Polo Argentino. Was das wohl sein mag? Wer kurz nachdenkt, dürfte eigentlich drauf kommen. Nun, das ist nicht kurz genug, ich verrate es also. Nachdem ich euch letzte Woche nichts vom Pferd erzählen wollte, will ich es diese Woche doch einmal tun: Es handelt sich beim Polo Argentino um das argentinische Polopony. Pony ist meiner Meinung nach der falsche Ausdruck für diese muskulösen “Sportgeräte”, ja besser Sportgeschosse, aber so nennt es nun mal Wikipedia, meine einzige deutschsprachige Quelle. Diese Pferderasse kommt jedenfalls aus Argentinien, genauso wie die besten Polospieler der Welt. Man wird ahnen, dass ich irgendwie mit dieser recht seltenen und elitären Sportart in Kontakt gekommen bin. Richtig, gestern war ich auf einem Poloturnier, dass von der Weinkellerei meines Freundes gesponsert wurde. Ich bin begeistert! Es ist quasi wie Hockey auf Pferden und ich komme mir nun ein bisschen blöd vor, dass ich selbst dem Ball hinterher renne und mich beim Feldhockey verausgabe. Und obwohl ich, für ein Mädchen völlig untypischer Weise, nicht der größte Pferdefan bin, taten mir diese Kreaturen irgendwie leid. Diese von Natur aus eher ängstlichen Fluchttiere, müssen beim Polo mit Jagd- und Kampfgeist einem 7-8 cm großen und 130 Gramm schweren Hartplastikball hinterher rennen und sich dabei auch noch mit einem Holzschläger neben dem Kopf herumhantieren lassen. Wenn man es so sieht, hab ich es im Vergleich zum Polopferd dann beim Hockey doch etwas leichter. Ich kriege wenigstens nicht noch eines mit der Peitsche verpasst wenn ich nicht mehr kann (obwohl es sicher auch Trainer gibt, die das in Betracht ziehen würden). Polo hat mich jedenfalls ernsthaft fasziniert und ich würde es gerne mal ausprobieren. Aber zum einen kann ich nicht reiten und zum anderen kann ich mir keine 7 Pferde leisten. Die braucht man wenn man ernsthaft und auf hohem Niveau spielen will. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als mir weiter etwas vom Polopferd erzählen zu lassen und selber dem Hartkunststoffball hinterher zu rennen.

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Investition der Woche: 130 Argentinische Pesos für eine Tour in die Anden. 23,9315 € für 9 Stunden in einem Bus voller argentinischer und brasilianischer Senioren. “Das klingt ja furchtbar“, wird der Menschenfreund sagen. “Was für eine Fehlinvestition“, der Geizkragen. Ich jedoch sage „Es war jeden Cent wert”. Da mein Spanisch zwar immer besser wird, aber noch lange nicht gut genug ist, um alles zu verstehen, bekam ich auch nicht mit ob die alten Herrschaften sich auf der langen Busfahrt in die längste Gebirgskette der Erde (7500 km), über Guanakos (Lamas), Inkas, Mottenkugeln, Rollatormarken oder gar Inkontinenz unterhielten. Ich beschloss das Ganze positiv zu sehen und zu genießen dass ich so in aller Ruhe meinem iPod zuhören konnte, der den perfekten Soundtrack zu der dahinrauschenden Landschaft spielte. Die Anden, auf der Ruta 7 von Mendoza nach Santiago de Chile, muss man sich in den buntesten Farben vorstellen. Man sieht primär rote Berge, aber auch pechschwarze, sonnengelbe, grasgrüne, himmelblaue, campariorangene, bürokratengraue und andere unvergleichliche Farben. Berge in den bizarrsten Formen, in unendlichen Weiten und in beträchtlicher Anzahl. Mein Busfenster war besser als jedes Highdefinition Fernsehen, die es heutzutage ja sogar schon in 3D zu kaufen gibt. Ich durfte sogar den Bus verlassen, um Fotos von der Picheuta Colonial Bridge zu machen (auch diese mal wieder ein Weltkulturerbe, da sie einst von den Inkas gebaut und später von dem Freiheitskämpfer San Martín überquert wurde. Dieser hat die Anden langweiliger Weise mit Pferden statt mit Elefanten überquerte, um Argentinien von den Spaniern zu befreien …). Dann ging es zur Puente del Inka (einer Brücke die besser Puente del Río Mendoza hieße, da sie eben nicht von den Inkas, sondern von Mutter Natur gebaut wurde) und schließlich hielten wir um Fotos vom Aconcagua zu machen (dem höchsten Berg des amerikanischen Kontinents). Außerdem durfte ich eine Stunde, direkt neben der Ruta 7, in der Sonne schlafen während die betuchten und betagten Leutchen sich die faltigen Bäuche mit einem teuren Essen vollschlugen. Ich habe alles gesehen was es zu sehen gibt und es wurde begleitet von der besten Musik. Wen stört es da schon, dass eine ältere Dame sich nach nur 20 Minuten Busfahrt übergibt? Das wäre einem bei einer Backpackertour mit einem Haufen unerwachsener Engländer und Australier auch passiert! Die hätten zwischendurch wohlmöglich noch irgendwelche interessanten Reisestories erzählt und mich von der schönen Landschaft und meiner Musik abgelenkt. Und dann hätte ich die, in Fotos einfach nicht einzufangende, Schönheit dieser Gebirgskette nicht richtig in mir aufnehmen können. Ich sagte ja bereits: “Es war jeden Cent wert”.

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Categories: Argentinien

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