Erfahrung der Woche: Alleine Reisen. Sie ist schon um, die erste Woche ohne ständige Reisebegleitung. Den Tag bevor Chris zurück nach Kanada geflogen ist, habe ich mich ja schon ein wenig komisch gefühlt muss ich gestehen. Aber ich wusste auch, dass dieses Gefühl dazu gehört, ein bisschen eben auch der Preis für die Wahnsinnszeit ist die man erlebt – und schließlich auch wieder eine neue Erfahrung ist. Ich hatte mich also mental darauf eingestellt, dass ich mich nach der Abreise meines Bekannten irgendwann eben auch mal nicht mehr ausschließlich gut und glücklich fühlen würde. Ich habe quasi darauf gewartet. Aber es ist nicht passiert. Als ich auf der Fähre von Buenos Aires nach Colonia saß, hätte es passieren können oder als ich 14 Stunden alleine im Bus von Montevideo nach Córdoba saß. Wenigstens als ich morgens verschlafen aufwachte und noch nicht einmal wusste, wo ich die nächste Nacht verbringen würde, hätte sich doch wenigstens ein bisschen etwas in mir regen müssen! Nein, ich habe immer noch jeden Moment genossen, die Freiheit die auf der Fähre in der Luft lag in mich aufgesogen, die Ruhe im Bus genossen und die 3 älteren uruguayanischen Herren im Bus nach Córdoba beruhigt, dass ein Mädchen offensichtlich doch sehr gut alleine reisen kann. Zum einen fühlt sich die Flexibilität gut an, zum anderen reist man viel aufmerksamer als in einer Gruppe da man für ALLES verantwortlich ist was von nun an passiert. Man hat jetzt die Zeit sich durchzulesen vor welcher der zahlreichen Kirchen einer Stadt man eigentlich gerade steht. Und man kann auch noch eine Stunde vor Abfahrt die bereits gebuchte Fähre nach Buenos Aires stornieren und lieber doch direkt den Nachtbus nach Córdoba nehmen. Die Welt liegt nun einem allein zu Füßen. Aber mit diesen will ich auch mal auf dem Boden bleiben, schließlich ist erst eine Woche von 5 Monaten Alleinereisens um. Vielleicht schleicht es sich ja doch noch irgendwann ein, das Gefühl von Einsamkeit. Wenn dieser Blog also irgendwann unerträglich lang wird und extrem viele, willkürlich ausgesuchte, sinnlos aneinandergereihte, teilweise vielleicht sogar nicht zum Kontext passende Füllwörter beinhaltet, wird es Zeit für liebevolle Mails aus der Heimat. Und wenn ich dann den ganzen Tag skypen will, will ich eben den ganzen Tag skypen. Dafür sind gute Freunde und Familie schließlich da! Ich glaube aber gerade weil ich diese ständig in meinen Gedanken bei mir habe, fühle ich mich auch nie so richtig einsam. So schließt sich der Kreis, den man dann vielleicht einen echten “Engelskreis” nennen könnte.
Ort der Woche: Colonia del Sacramento, Uruguay. Auch wenn ich den 11.11 in Kölle verpasst habe, hieß es diese Woche “Viva Colonia” für mich. Sacramento, war das ein nettes kleines Örtchen! Neben dem idealen Namen, trägt es außerdem den Titel UNESCO Kulturerbe und ein recht hübsches Kostüm: Das ehemalige Schmugglerdorf hat sich als perfekter Ferienort mit Kopfsteinpflasterstraßen, bunten Häuschen, einem kleinen Leuchtturm, Stränden und Parks verkleidet. Es fehlte an nichts, in diesem entspannten kleinen Dorf, nicht einmal an kostenlosem Wifi in den sonnendurchfluteten Parks. Nur eines gab es nicht: Kölsch. Aber das wäre ja auch völlig jeck gewesen.
Viech der Woche: Ich könnte euch jetzt einen Bären aufbinden, oder euch etwas vom Pferd erzählen, aber nein, ich will euch lammfromm gestehen, dass das einzige Tier das ich diese Woche gesehen habe und mir erwähnenswert erscheint, ein Gürteltier war. Klingt verheißungsvoll und ist auch ein hier heimisches Viech (es ist mit 20 Arten über den südamerikanischen Kontinent verbreitet und bildet die einzige überlebende Säugetierfamilie der so genannten gepanzerten Nebengelenktieren), womit es alle Anforderungen für den Titel erfüllt. Leider war der Ort der Sichtung allerdings ein Museum und so fühlt es sich gegenüber der Tarantel, der Python, des Walhaies und des Pfeilgiftfrosches, die ich selbstredend noch alle auf meiner Reise durch den tropischeren Teil Lateinamerikas entdecken werde falsch an, hier ein verstaubtes und ausgestopftes Exemplar eines Ameisenbär-Vetters und Faultier-Neffen zum Viech der Woche zu küren. Vielleicht sind die Tiere da draußen jetzt auch angefixt und wollen sich den Titel holen und lassen sich tatsächlich mal irgendwo blicken. Ihr seid die ersten, die davon erfahren werden.
Investition der Woche: 140 Uruguay Pesos für einen „Chivito“. Das sind circa 5 Euro für einen typischen urguayanischen Snack. Als solchen bezeichnen die scheinbar sehr essstarken Urologen, offiziell als Uruguayaner bezeichnet, jedenfalls diesen Riesenburger. Nicht nur, dass 3 verschiedene Fleischsorten (Schinken, gebratener Speck und Steak) darauf gestapelt werden, auch ein Spiegelei, Pilze, Mais, Käse, Salat, Tomaten, Erbsen, Oliven und Zwiebeln finden zwischen den 2 Brötchenhälften irgendwie Platz. Erstaunlicherweise muss es diesen in meinem Bauch auch zu genüge gegeben haben, denn auf dem Teller war nach circa 15 Minuten irgendwie nichts mehr zu sehen.
Beobachtung der Woche: Es gibt sie tatsächlich noch, die guten Dinge dieser Welt. Als ich den Claim “Helping create a better world” gelesen habe, war gerade ich als erfahrener Werbefuchs erst einmal skeptisch und dachte, Couchsurfing sei jawohl zu schön, um wahr zu sein. Wie soll denn bitteschön eine Plattform funktionieren, auf der Locals einem wildfremden Menschen einen Schlafplatz in ihrer Wohnung anbieten ohne dafür irgendetwas zu bekommen oder gar zu wollen? Heutzutage gibt es schließlich nichts mehr geschenkt! Vor allem nichts, wofür jeder Reisende wohl sein mühsam erspartes Vermögen ausgeben würde. Wie das also funktioniert? So: Man sucht auf www.couchsurfing.org zuerst nach der Stadt die man als nächstes besuchen will, dann nach einer Person dessen Profil sympathisch klingt und die einige gute Wertungen von vorherigen Surfern bekommen hat und schreibt diese dann einfach an. Sehr bald bekommt man dann eine sehr nette Mail im Tonus “Mi casa es tu casa” zurück und schon ist alles klar. Am Busbahnhof wartet dann tatsächlich ein netter Reisefreund auf einen und nimmt einen mit nach Hause. Man wird mit Essen versorgt, mit Tipps für die Stadt, mit den Antworten auf die Fragen zur Geschichte und Kultur des Landes und mit einem angenehm heimischen Gefühl. Ich habe gelernt wie man Mate zubereitet und trinkt, ich habe mit einem Haufen Argentiniern Fernet-Cola getrunken, ich habe über urguayanische und argentinische Geschichte gelernt, ich habe endlich angefangen auf Spanisch zu denken, habe Orte gesehen die in keinem Reiseführer stehen, habe Musik geschenkt bekommen die mich für immer an all das erinnern wird. Ich wurde vom Bahnhof abgeholt und zum Bahnhof gebracht, ich wurde umarmt und gebeten länger zu bleiben und ich hatte in Montevideo und Córdoba eine super Zeit. Und ich habe Freunde gefunden. Dass ich die Nächte im Hostel gespart habe ist mir dabei sogar beinahe egal. Für diese Erfahrungen hätte ich gerne etwas gegeben. Nicolás aus Córdoba meinte, dass habe ich mit meiner Anwesenheit auch getan. Die Währung beim Couchsurfen ist eben Sympathie. Man bezahlt mit Geschichten aus der Heimat und vom Reisen. Mit Freude und Lächeln, vielleicht einer Flasche Wein oder einfach der Einladung auf die eigene Couch. Endlich einmal ein Slogan, der hält was er verspricht. Meine Welt wurde jedenfalls wirklich besser durch das Couchsurfen und ich freue mich schon auf meine nächste perfekte Welle.
Übersicht der Woche: Nachdem ich Buenos Aires also fürs erste den bepackten Rücken zukehrte, nahm ich morgens die Fähre nach Colonia del Sacramento. Eine entspannte Nacht und 2 Tage später ging es in die Hauptstadt Montevideo. Dort erkundete ich zuerst mit meinem kolumbianischen Kumpel und einer Britin aus seinem Hostel die Stadt, verliebte mich in einen Burger und besuchte die wenigen Sehenswürdigkeiten. Und auch nachdem mir Mateo am nächsten Tag noch die Stadt aus Sicht des Lokals zeigte, war ich wenig beeindruckt von ihr, was daran liegen mag, dass ich vorher in Buenos Aires gewesen war. Spontan entschied ich mich, nicht noch mal nach Buenos Aires zu fahren, da sich meine Schlafgelegenheit dort zerschlagen hatte und ich am Wochenende ganz gerne in Mendoza sein wollte. Eine Nacht und 14 Stunden Busfahrt später kam ich also nach Córdoba, wo ich noch am Busbahnhof einen Iren kennenlernte, der in einem Lonely Planet blätterte. Gemeinsam ging es zuerst in ein Hostel und anschließend nach Alta Gracia, wo wir uns das Che Guevara Museum und eine Jesuiten Mission anschauten. Am nächsten Tag eröffnete sich plötzlich eine weitere Couch und so zog ich nach Nuevoa Córdoba, dem Studentenviertel der Stadt, um Nicolás kennenzulernen. Besser als mit ihm hätte ich Córdoba nicht kennenlernen können: Als erstes bekam ich Steak, Empanadas und Wein, dann ging es mit seinen Jungs in einen Club, am nächsten Tag zeigte er mir die armen und reichen Viertel der Stadt und anschließend noch Kunstmarkt und Tango-Bar. Als er mir auf seiner E-Gitarre noch ein Abschiedlied auf Deutsch sang, war ich endgültig traurig Córdoba zu verlassen. Aber in Mendoza wartet schon der nächste Surfer auf mich, der mir dringend geraten hat am Wochenende zu kommen. Also werde ich eine 10-stündige Samstagnacht im Bus nach Mendoza verbringen und Córdoba einfach in ausgezeichneter Erinnerung behalten! Eine herrliche Woche war das, in der ich tolle Orte und noch tollere Menschen kennengelernt habe. SO kann es weitergehen…
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