Erfahrung der Woche: São Paulo. Vielleicht nicht die größte Stadt der Welt, aber immerhin die größte Stadt meiner Welt. Meiner klitzekleinen Seifenblasenwelt. Als ich auf der Aussichtsterrasse des “Edifício Itália” stand, um mir die wahre Größe dieser Stadt einmal vor Augen führen zu lassen, kam mir als erstes in den Sinn, dass da vor meinen Füßen einfach mal 19 Millionen weitere Welten lagen. Die so viel Platz brauchen, dass sie in grauen Betonkästen gestapelten werden müssen. Bis zum Horizont, 360°, wohin das Auge reicht. Ich hatte mich bisher in Brasilien immer ziemlich groß gewachsen gefühlt, doch auf dem Foto vor der Skyline dieser Stadt sah ich auf einmal seltsam winzig aus. Genau so winzig erschienen mir auf einmal auch meine eigenen Träume. Denn einzigartig oder besonders ist in dieser Stadt bestimmt gar nichts mehr. Im Prinzip wollen doch alle 19 Millionen nur das Gleiche, haben ähnliche Träume und Ziele, erreichen sie nur auf unterschiedlichem Wege, oder vielleicht auch nie. Jedenfalls fühlt sich doch jeder, als wäre seine Welt die Einzige. Zum Glück aber nicht in einem egoistischen Sinne, denn die Paulistas sind ein sehr freundliches Riesenvölkchen, Zum Beispiel erklären sie einem ungefragt den Weg, da sie unter einem Backpack scheinbar immer einen Gringo vermuten. Sie bringen einen sogar persönlich zum Bus und verabschieden sich fröhlich mit “Welcome to Brasil”. Dann verschwinden sie wieder in der Masse. Ich mache so etwas in Deutschland auch immer, weil man schließlich weiß wie hilfreich es ist. Außerdem denke ich mir stets “Man sieht sich immer zweimal im Leben”. In São Paulo muss der Spruch wohl irgendwie anders gehen, da sieht man sicher jeden nur einmal wieder.
Ort der Woche: Vila Magdalena, São Paulo. Wenn man in eine Großstadt kommt, deren Ausmaß ich oben hoffentlich ausreichend verdeutlicht habe, sollte man wissen wohin man will. Denn wenn man morgens um halb 6, am größten Busbahnhofs Südamerika ankommt ist es schon hilfreich nur noch den Weg finden zu müssen, nicht auch noch einen Ort. Das Hostel, das meine Reisebegleitung online gebucht hatte, fanden wir auch recht problemlos. Nur war es nicht da, wo es hätte sein sollen. Das Viertel wo wir eigentlich hinwollten hieß Vila Magdalena und war mir von brasilianischen Freunden empfohlen worden. Das Hostel wo wir ankamen, war grob gesehen zwar nicht so weit weg, genau genommen aber 50 Minuten. Ein weitreichender Fehler im wahrsten Sinne. Wenn einem in einer solchen Großstadt auch nur ein einziger Ort empfohlen wird, hat man die Nadel im Heu- (bzw. Betonhaufen) quasi schon gefunden. Und so war der Ort der uns empfohlen worden war tatsächlich genau das, nach dem ich gesucht hatte. Ein Viertel mit kleinen Boutiquen, Streetart, vielen Bars und einer super entspannten Atmosphäre. Aber vielleicht war ich auch etwas voreingenommen, weil der zweite Teils des Namens schon alleine sehr schön ist.
Beobachtung der Woche: Ich werde zwar immer blonder, aber nicht dümmer. Im Gegenteil, ich werde immer schlauer. Beim Reisen lernt man nämlich nicht nur all die Orte, Kulturen und Bräuche kennen, sondern auch einen Haufen ziemlich interessanter Leute. Neben meinem ersten Eindruck, dass in Südamerika ältere Backpacker unterwegs sind als in Australien, stelle ich fest, dass man beim Reisen ziemlich viele trifft die nicht nur was auf dem Rücken, sondern auch auf dem Kasten haben. Die letzte Woche habe ich also mit Kriminologen, Soziologen, Bio- und Chemieforschern, Medizinern, Künstlern und einer angehenden Regisseurin verbracht. Was man da alles lernt und diskutiert, kann man in keinem Studiengang lernen. Ich finde ja sowieso es sollte ein Reisediplom geben, das einem von jedem Arbeitgeber angerechnet wird. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich selbst keinen Abschluss in der Tasche habe und bei dieser Disziplin außerordentlich gut abschneiden würde. Wenn es so ein Reisediplom geben würde, könnte ich jedenfalls auch endlich mal sagen: die Studienzeit war die beste Zeit meines Lebens.
Viech der Woche: Eine Schildkröte. Leider zwar eine tote Schildkröte, aber immerhin eine, die so groß war wie ein Fußball. Und Muscheln sind ja irgendwann wirklich auch mal langweilig. Gut, spannend ist dieses Viech der Woche tatsächlich auch nicht. Aber ein spektakuläreres Viech hat sich diese Woche leider nicht blicken lassen.
Investition der Woche: 64 Reais für ein Busticket nach Rio. Nachdem ich letzte Woche erleichtert berichtet habe, dass ich Rio überlebt habe, kann man sich ruhig wundern warum ich mich ein weiteres Mal in die Höhle des Löwen, bzw. Drogenbosses wage. Im entfernten Sinne hat es sogar tatsächlich etwas mit Drogenbossen zu tun, dass ich noch einmal nach Rio fuhr. Denn der Grund für die Rückkehr war die Einladung eines deutschen Doktoranten der Kriminologie der die Gewaltbereitschaft der Polizei in den Favelas von Rio untersucht. Na ja gut und, dass wir das Nachtleben in Lapa verpasst hatten. Und ich nach weiteren Überlegungen und Diskussionen über Ethik doch noch gerne eine Favela-Tour machen will. Und dass das Wetter beim Foz do Iguaçu, den Wasserfällen die eigentlich als nächstes auf unserer Route lagen, schlecht werden sollte. Da wir in seiner Wohnung in Santa Teresa, meinem Lieblingsviertel in Rio, wohnen konnten, war die Extra-Investition auch gar nicht so groß. Bis ich am Strand von Ipanema beklaut wurde. Und so langsam frage ich mich, wieso mir auf meinen Reisen immer genau dieser Gegenstand gestohlen wird. Es handelt sich nämlich mal wieder um ein paar Schuhe. Keine teuren, ich übertreibe nur um das schnelllebige Internetvolk bei Laune zu halten, nur meine ebenfalls in Rio erworbenen Havaianas (diese brasilianischen Badeschlappen). Entweder also liegt es an meinen Füßen, dass Schuhe die ich getragen habe einen Wert erlangen, den sonst nur Kameras und Portemonnaies für sich in Anspruch nehmen oder aber es ist eine Masche die zum Aufschwung der brasilianischen Wirtschaft führen soll. Ich habe jedenfalls innerhalb von 2 Wochen 36 Reais in die Flip-Flop Industrie investiert. Ich hoffe die legen das Geld gut an. Und, dass der Dieb sich die Füße wund läuft in meinen Latschen.
Übersicht der Woche: Nachdem die erste Woche in Brasilien skurriler Weise ohne Alkohol verbracht worden war, mussten in Parati dringend die ersten Caipirinhas probiert werden. Das Rezept wird wohl das Gleiche sein, wie man es mittlerweile überall auf der Welt kennt (außer in Kanada, denn ich versuche noch immer vergebens meiner kanadischen Reisebegleitung den Namen dieses Cocktails beizubringen), nur ist in der brasilianischen Mischung ungefähr genauso viel Cachaça drin, wie in allen Caipis zusammen die ich bisher hatte. Nachdem wir in Parati zwischenzeitlich zu einer Reisegruppe von 7 Leuten gewachsen waren, reiste ich am nächsten Tag nur mit meinem Kater und der kanadischen Reisebegleitung im Nachtbus nach São Paulo. Dort verbrachten wir dann 3 Tage damit die Orte in São Paulo anzureisen, die uns empfohlen worden waren (Samba-Bar, Museum of Modern Art und die Reeperbahn São Paulos). Und den brasilianischen Kontakt zu treffen, den mir brasilianische Freunde aus Hamburg vermittelt hatten. Na ja, und dann reisten wir eben in einer sechsstündigen Busfahrt wieder dort hin, wo wir angefangen hatten – nach Rio. Die Nacht in Lapa (dem Ausgeh-Viertel in Rio) hat sich auf jeden Fall schon mal gelohnt. Sehr skurril an einem Ort zu feiern, der nachts sicherer ist als tagsüber. Übermorgen geht es dann weiter wie geplant: mit den Wasserfällen an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien. Das heißt dann zum Glück auch, dass ich statt Reais Pesos in den Taschen habe. Dann muss ich auch nicht mehr jeden Centavo umdrehen. Nicht mehr so oft den günstigeren Peso. Aber erstmal muss ich noch 22 Stunden im Bus sitzen, um überhaupt in Argentinien anzukommen. Und ob ich dann überhaupt noch bei ganz bei Verstand bin, muss ich dann auch mal sehen. Ihr werdet es beim nächsten Blogeintrag merken…
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