Taghazout // Taroudant // Marrakesch

Erfahrung der Woche: Eine Zeitreise in die Vergangenheit dauert von Düsseldorf/Weeze circa 3 Flugstunden. Denn dann, nur wenige Minuten im Mietwagen, führt einen das Navi auf der „Straße ohne Namen“ schnurgerade in gähnende Leere. Die karge Gegend die sich hinter den Autoscheiben erstreckt, ist allerdings alles andere als zum Gähnen. Wir sind in Marokko. Alles erscheint uns viel älter, alles erscheint uns ganz neu. Zwischen den anderen Autos, die meist Schrottkarren sind, knarren Eselkarren, knattern Motorroller. Wir sind in einer vergangenen Zeit gelandet. Diese Fremde ist so anziehen, dass wir die moderne Touristenhochburg Agadir gleich unten links liegen lassen und in das authentische Dörfchen Taghazout fahren, das nur wenige Küstenkilometer nördlich liegt. Am Ortseingang empfängt ein langer Sandstrand und eine Horde Ziegen die in einem Müllcontainer grast – ein Paradies für Surfer, das Schlaraffenland für Ziegen. Hinter der Hauptstraße führen kleine Gassen zu einem Café am Meer hinunter. Diese Aussicht würde in unserer Welt unbezahlbare Preise rechtfertigen. Auch die Stadt sieht aus dieser Perspektive aufgeräumter und schöner aus, denn die staubigen Bruchbuden haben ihre Fassaden für das Meer herausgeputzt. Aber Vor- und Rückseite haben beide ihren Charme, in der Fremde ist man ja tolerant ­– man reist schließlich, um etwas anderes zu sehen. Und Sauberkeit wird hier eben anders definiert, auch im Hause der Café Besitzerin bei der wir unser Bett für die Nacht mieten. Und wenn der Boiler etliche Streichhölzer später endlich entfacht ist und man unter einer warmen Dusche steht, bekommt warmes Wasser einen ganz anderen Stellenwert. Der Fremde muss seine Wertvorstellungen denen der Einheimischen anpassen und wird dabei vieles lernen. Zum Beispiel wie stark der eigene Geduldsfaden ist. Als uns um 5 Uhr morgens die dröhnend blechernen Gebetsaufrufe des Muezzins aus dem Schlaf reißen wissen wir gleich, dass dieser eintönige Singsang zu den Dingen gehören wird, auf die wir nicht besonders viel Wert legen. Dafür schätzen wir es sehr, dass der Hahn, der uns eine Stunde später mit seinem Weckruf erneut aufschrecken lässt, nicht auch aus einem Mikrofon von einem Minarett herunter kräht. Nun ja, alles besser als ein Smartphone-Wecker der einen zur Arbeit ruft…

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Ort der Woche: Marrakesch. Zumindest dachte ich es würde der Ort der Woche werden. Allerdings zeigten die zwei Tage in Marrakesch ein ganz anderes Marokko, als das, was wir in den letzten Tagen kennen und lieben gelernt hatten. So hübsch und geheimnisvoll wie Marrakesch in meinen Vorstellungen gewesen war, ist es nicht. Die Stadt besteht aus flachen eintönigen Häusern – keine Kuppeln auf den Dächern, keine Mosaike an den Wänden und nur hin und wieder erspäht man in einem Innenhof das Marrakesch, was man sucht. Auch unser Hotel hat so einen Innenhof und nennt sich daher „Riad“. Und sobald der kleine Platz mit dem Pool und dem laternenbehängten Baum betreten ist, verstummt das hektische Marktgetümmel mit seinen Händlern und Touristen gänzlich. Die wirkliche Schönheit Marrakeschs befindet sich in seinen Innenhöfen oder auf Dachterrassen. Am zweiten Tag folgen wir unserem Wallpaper City Guide ins unspektakuläre Fotografiemuseum, zum köstlichen libanesischen Restaurant Chez Mona außerhalb der Stadt und in den Jardin Majorelle, einem Geschenk von Yves Saint Laurent an die Stadt. Einen Stadtplan ist nutzlos, der Trick nur die Ladenbesitzer nach dem Weg zu fragen extrem nützlich – diese können einem nämlich nicht einfach ungefragt bis zum Ziel führen und dann Geld dafür verlangen. So erarbeiteten wir uns langsam und umständlich die für uns interessanten Orte der Stadt, in der scheinbar jeder auf Kommerz aus ist. Auf dem touristenüberströmten Hauptplatz schafft es ein Mann, Tom ungefragt eine Cobra um den Hals zu hängen, mir meine Kamera zu entreißen und dann 50 Euro für die davon geschossenen Fotos zu verlangen. Nur damit er uns gehen lässt, geben wir ihm 4 Euro. Ein studentischer Wegweiser führt uns freundlicher Weise ins jüdische Marktviertel und dann frecher Weise in den Laden eines Händler, der uns ungefragt seinen kompletten Marktstand erklärt und uns am Ende Tees und Kräuter für 40 Euro andrehen will. Verlegen kaufen wir ein paar Eukalyptuskristalle für 6 Euro. Den richtigen Marktstand, auf dem Hauptplatz Djemaa el-Fna für das Abendessen zu finden, gleicht einer Hetzjagd. Und als wir endlich sitzen und dem Schauspiel als Zuschauer statt als Hauptdarsteller beiwohnen können, freuen wir uns auch schon ein bisschen auf die Abreise zu Küste, zurück ins untouristischere Marokko.

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Beobachtung der Woche: Die Marokkaner sind ein nettes Volk. Diese Geschichten beweisen es: Bei der Abfahrt aus Taghazout kam ein heruntergekommener Straßenverkäufer auf uns zu und gab dabei vogelartige Geräusche und schnalzende Laute von sich. Das war seltsam, sorgte aber immerhin für eine international verständliche Aufmerksamkeit. Zwitschernd bot er uns seine geräucherten Mandeln an und versuchte uns beim Preis übers Ohr zu hauen. Wir verhandelten so knallhart, bis wir ihn auf die Hälfte runter hatten und am Ende alle über das gegenseitige Gezocke lachen mussten. Auch das Lachen ist international verständlich. Damit kriegt man hier am Kiosk sogar eine Flasche Wasser geschenkt, wenn niemand den 100 Dirham Schein (das sind circa 10 Euro) wechseln kann. Als wir schließlich in Richtung Atlas Gebirge aufbrachen, wurden wir vom Winken des Parkwächters verabschiedet.

Das nächste Lächeln strahlte uns von dem Ladenbesitzer entgegen, bei dem wir unser Frühstück kauften. Er schenkte es mir zusammen mit einem Löffel, damit ich ihm daraufhin einen Joghurt für 20 Cent abkaufte. So konnte das Frühstück unterwegs eingenommen werden, auf der palmengesäumten Straße die sich durch eine sandige Felsenschlucht wand. Es ging vorbei an Kamelherden, Hütten die Argan-Öl verkaufen und Steilwänden aus rotem Fels. Und um dem Namen „Paradise Valley“ vollends gerecht zu werden, schlängelte sich nun auch noch ein kleiner Bach neben der Straße entlang. Doch halt! Beim dritten Anbieter von Argan-Öl mussten wir dann doch mal stehen bleiben und einen Liter des „flüssigen Goldes“ kaufen, das weltweit als solches bekannt ist. Wir zahlten einen Spottpreis, das nussige Öl kommt schließlich aus Marokko – nirgends sonst wachsen diese kostbaren Bäume. Goldwert war auch der Tipp des Verkäufers, der uns verriet, dass der Wasserfall zu dem wir eigentlich wollten zu dieser Jahreszeit kaum Wasser führt. Aber sein kleiner Sohn könne uns gerne zu der kleinen Wasserstelle führen, wo die Dorffrauen ihre Teppiche waschen. 40 Grad Hitze und die strahlenden Augen des Jungen machten uns die Entscheidung leicht. Dem Kleinen schient allein die zweiminütige Autofahrt Lohn und Abenteuer genug zu sein. Dann gab ich ihm meine Kamera und er wurde während unseres kurzen Badevergnügens erst zum Reporter, dann wieder zum Reiseführer der uns Auberginenfelder zeigte und von Feigenbäumen kosten ließ, dann zum Fotomodell das mit in die Hüfte gestemmten Händen vor unserem Auto posierte und schließlich, als Copilot am Steuer, auch noch zum Rennfahrer, der uns zurück zum Haus seines Vaters brachte. So ein Lächeln hat uns noch niemand geschenkt. Wir versprachen ihm die Fotos zu schicken, er verspracht uns eine Tour auf seinem kleinen Fahrrad, wenn wir das nächste Mal kämen. Jetzt setzten wir aber erstmal diese Tour fort: Mit meinem Sonnenstich und seinen unangenehmen Symptomen, mit einem leeren Navi und Magen, mit einem hilfsbreiten Marokkaner der ein ganzes Stück vor uns her fuhrt, nur um uns den richtigen Weg nach Taroudant zu zeigen. Als wir endlich in der großen Handelsstadt ankamen, fragten wir uns wieder nach dem richtigen Weg – diesmal was unsere Kleidung anging. Und wie wir ein Hotel für die Nacht finden würden. In Knie-bedeckenden-Kleidern wichen wir nun also penetranten Marokkanern aus, die uns in die Unterkünfte ihrer Verwandten locken wollten und schlängelten schnellstmöglich auf irgendein nahes Hotel aus dem Reiseführer zu. Dann beendeten wir den Tag mit der ersten Tajine (einer Art Römertopf der Marokkaner) gefüllt mit Hühnchen, Pflaumen und Nüssen ­– und in einem Hotel voller Mosaike und Vorfreude auf den nächsten Tag.

Nachdem, beim Frühstück am nächsten Morgen, der Avocado-Orangen-Saft und die ersten Eindrücke einer marokkanischen Stadt aufgesogen waren, machten wir uns auf die Suche nach einem Markt der hier heute stattfinden sollte. Es mochte an meinem Französisch liegen, dass meine Fragen danach immer nur mit einem Kopfschütteln beantwortet wurden, aber immerhin fanden wir irgendwann irgendeinen Markt, die Stadt war schließlich voll davon. Sofort waren wir wieder in intensive Verhandlungs- und Abwehrgespräche vertieft – jetzt schien mein Französisch wieder verständlich zu sein. Dann fanden wir in einem kleinen Laden einige handbemalte Keramikschalen und einen jungen Mann der Englisch konnte. Eigentlich wollte Ismael uns nur zu dem Markt bringen den wir suchten, dann löcherten wir ihn aber so mit den Fragen, die sich in den letzten 48 Stunden angehäuft hatten, dass er uns kurzerhand durch die ganze Stadt führte und uns das ganze Land erklärte. „Keine Angst, gefährlich ist es hier für Touristen nicht. Wer unserer „Haupteinnahmequelle“ etwas tut, wird nicht nur von den Einheimischen dafür bestraft, sondern kommt für 3 Jahre ins Gefängnis. Keine Sorge, kurze Klamotten könnt ihr ruhig tragen, beleidigend ist es nur, wenn Marokkaner Bein zeigen. Nein, keinen Dirham will ich von Euch für diese Führung, ich will nur mein Englisch verbessern und mich nett unterhalten.“ Wir lernten wohl alle Märkte der Stadt kennen. Den der Berber, der Juden, der Touareg, der Gewürze, der chinesischen Importe, sogar den der Bettler. Wir lernten wie Argan-Öl hergestellt wird, dass man hier als Paar erst zusammen wohnen darf wenn man verheiratet ist und, dass Ismael allein für einen Besuch in Deutschland ein Visum von 1000 Euro benötigen würde. Nachdem der Wissensdurst etwas gestillt war, wurden wir hungrig und luden ihn zu Couscous und gegrillten Fleischspießen ein. „Nicht mit der schmutzigen, linken Hand essen, sonst aber gerne mit den Fingern. Jetzt aber weiter, es gibt noch so viel zu sehen.“ Zum Dank für das Essen lud er uns aber erstmal auf einen frischen Minztee ein und zeigte uns die dazugehörige Zubereitungs-Prozedur. Während uns die Zuckermassen die Zähne zusammenklebten, zeigte er uns breit grinsend seine löchrigen Zähne. Dann brachte er uns durch einen Hinterhof in den Keller eines Teppichhändlers. Dass seine Teppiche nicht fliegen konnten war alles, denn ihre Muster erzählten sogar Geschichten. Leider konnten wir uns ein solches Prachtstück nicht leisten. Dann holte uns zumindest die Uhr auf den Teppich. Es war plötzlich so spät geworden, dass wir uns sputen mussten, wenn wir heute noch in Marrakesch kommen wollten. Ismael gab uns schnell noch seinen Facebook Namen. Dankbar nahmen wir das virtuelle Freundschaftsangebot an und verabschiedeten uns.

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Investition der Woche: 1000 Faszinationen und eine Nacht für 30 Euro. Und darin war auch noch das köstliche 3 Gänge Menü und das Frühstück im Park inbegriffen. Dieses günstige Glück wartete hinter den steilen Serpentinen des Atlas Gebirges auf uns. Denn weil die Sonne allzu schnell hinter den, in allen Rottönen leuchtenden, Bergen des Tizi n’ Test Passes verschwunden war, hielten wir in der ersten Unterkunft die wir auf der anderen Seite der Gebirgskette im Scheinwerferlicht erkennen konnten. Der Hausherr, der irgendwo aus der Dunkelheit kam, führte uns hinter einer Gartenpforte eine Treppe hinunter und dann mitten in eine Oase. Nach und nach schaltete er Lampen an, die immer weitere Teile des riesigen Anwesens erschufen. Erst knipste er den Garten zu einem Park mit Pflaumenbäumen und einer ganzen Hecke aus Rosmarin, dann schaltete er hinter einer Brücke mit verschnörkelten Torbögen unser Gemach voller Teppiche, Mosaike und Laternen an. Auch unsere Gesichter strahlen längst. Da wir seine einzigen Gäste waren, konnten wir den Oasenbesitzer sogar von 400 auf 300 Dirham herunter handeln.

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Adressen & Namen:

1001 Nacht Hotel am Tizi n’Test: Dar el Mouahidines

Marrakesch:

Schlafen im schönen und zentral gelegenen Hotel du Tresor.

Essen:

Auf der schönen Dachterrasse des Terrasse des épices gibt es leckeres Essen, aber auch viele Touris.

Eine vorzügliche Mandelmilch im hübschen, begrünten Le Jardin geniessen.

Bei La Cuisine de Mona gibt es etwas außerhalb des Trubels auf einer kleinen Terrasse köstliche libanesische Mezze.

Unbedingt gesehen haben sollte man den wunderschönen Jardin Majorelle.

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